Magnus Lindberg

»Musik hat mit Emotionen zu tun!«

Der finnische Komponist Magnus Lindberg im Portrait.

»Wenn ein Komponist nicht von sich sagen kann, etwas getan zu haben, was vor ihm noch niemand getan hat, kann er nicht behaupten, überhaupt etwas getan zu haben.« Dieses Zitat stammt nicht von Magnus Lindberg selbst, sondern von seinem Lehrer, dem bedeutenden finnischen Komponisten Paavo Heininen. Aber es hatte großen Einfluss auf Lindberg, der sich den Rat seines Mentors zu eigen machte und zum Leitbild seiner Kompositionsästhetik erhob.

»Nur Extreme sind interessant!«

1958 in Helsinki geboren, studierte Lindberg bereits im Alter von 15 Jahren an der dortigen Sibelius-Akademie Klavier, verlegte seinen Schwerpunkt aber später ganz auf das Komponieren. In dieser Disziplin folgte er schon bald nur noch seiner eigenen Devise: »Nur Extreme sind interessant.«

Eine wahrlich »extreme« Komposition bedeutete 1985 auch seinen Durchbruch. »Kraft« hieß das Werk, das mit einem gigantischen Orchester, Live-Elektronik und zu Perkussionsinstrumenten umfunktioniertem Metall-Schrott Publikum und Kritik in Staunen versetzte.

Magnus Lindberg probt »Kraft« mit dem NDR Ebphihharmonie Orchester in der Elbphilharmonie (September 2019).

»Lindberg ist der lebende Ein-Mann-Beweis dafür, dass Orchestermusik nicht tot ist.«

Sir Simon Rattle

Alles ausprobiert

Ganz so, als müsste er sich erst einmal richtig beweisen, probierte Lindberg in den Anfangsjahren seiner Komponistenlaufbahn alles aus, was die damalige Zeit an musikalischen Errungenschaften so hergab: postserieller Konstruktivismus, Aleatorik, freie Formen und computergestützte Kompositionsverfahren, um nur eine Auswahl zu geben. Ferner ließ er sich von japanischer Trommelmusik und deutschem Punk-Rock à la Einstürzende Neubauten inspirieren. Eben ganz ein Kind unserer Zeit.

Heute gehört Lindberg neben seinem Landsmann Esa-Pekka Salonen und seiner Landsfrau Kaija Saariaho zur Speerspitze einer finnischen Komponistengeneration, die auch international große Erfolge feiert. Die britische Zeitung The Guardian beschrieb seinen Sound als »maßgebend für das 21. Jahrhundert«, Residenzen beim New York Philharmonic und beim London Philharmonic Orchestra verhalfen ihm zu großer öffentlicher Aufmerksamkeit. Und Sir Simon Rattle bezeichnete Lindberg gar als »den lebenden Ein-Mann-Beweis dafür, dass Orchestermusik nicht tot ist«.

Magnus Lindberg
Magnus Lindberg © Saara Vuorjoki / FIMIC

»Mitten im Stück Bäume fällen«

Doch Lindberg beherrscht auch die anderen, leiseren Töne, mit denen er die wunderbarsten Melodien schafft. Dabei ist ihm der Kunstgriff gelungen, nicht nur bei Spezialisten für Neue Musik große Zustimmung zu finden, sondern auch beim breiten Konzertpublikum. Er bedient sich dazu aus dem Fundus der gesamten Musikgeschichte; seine Kompositionen leben von Vitalität und sind stellenweise von solch lyrischer Schönheit, dass sie auch schon mal als »hyperromantisch« bezeichnet werden. Besonders seine jüngeren Werke gehen in diese Richtung. Ein Anflug von Altersmilde? Aber nicht doch: »Ich bin immer noch Avantgardist«, sagte er einmal im Interview. »Aber das heißt nicht, dass man mitten im Stück Bäume fällen muss oder so. Es geht nicht nur darum, ein Manifest zu verlesen. Musik hat mit Emotionen zu tun. Sie ist ein Erlebnis!«

Text: Simon Chlosta, Stand: 26.2.2021

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