Gulzoda Khudoynazarova

Usbekische Gesänge

Über den Shashmaqam und eine aufstrebende Sängerin aus der sagenumwobenen Stadt Buchara.

Samarkand, Buchara – allein der Klang dieser usbekischen Städtenamen hat schon die Dichterfantasien von Goethe oder Grillparzer angeregt. Im 14. Jahrhundert erzählt bereits Ibn Batutta, der berühmte marokkanische Weltreisende, von den kulturellen Reichtümern Transoxaniens, dem Gebiet zwischen den beiden Flüssen Amudarja und Syrdarja, das neben Usbekistan heute auch Teile von Turkmenistan Kasachstan, Tadschikistan und Kirgisistan umfasst.

Shashmaqam: Der klassische Gesangszyklus

»In Buchara lebten Hindus, Juden, orthodoxe Russen, Perser, Mongolen, sogar Koreaner«

Einer der größten musikalische Schätze dieser weitläufigen Region ist der Shashmaqam. In diesem klassischen usbekischen Gesangszyklus spiegelt sich der musikalische Reichtum der multiethnischen Wüstenoase Buchara wider, in der Hindus, Juden, orthodoxe Russen, Perser, Mongolen, sogar Koreaner leben. Der Shashmaqam speist sich daher auch nicht nur aus zentralasiatischen, sondern beispielsweise auch aus Quellen jüdischer Kultur, die in Buchara und Samarkand lange Zeit mit bedeutenden Communities präsent war.

Gulzoda Khudoynazarova: Mo'g'ulchai Dugoh

Den Shashmaqam, der mündlich überliefert und im 18. Jahrhundert in sechs Zyklen zusammengefasst wurde, tragen die Sänger mit prächtigen, ornamentreichen Vokallinien vor, begleitet von den Langhalslauten Tanbur und Dutar und der Stachelgeige Ghichak. Es ist eine Musik, die in unseren Ohren fremd und faszinierend klingt: Der Gesang kostet die Räume zwischen den Tönen durch Hin- und Hergleiten (wir würden sagen: Glissandi) aus, und diesen Linien folgt die Stachelgeige imitierend. Die expressiven Passagen haben überwältigenden, ekstatischen Charakter.

»Prächtige, ornamentreiche Vokallinien, die zwischen den Tönen hin- und hergleiten«

Zukunft des Shashmaqam

Gulzoda Khudoynazarova, deren Auftritt in der Elbphilharmonie im April 2020 leider ausfallen musste, ist die Zukunft des Shashmaqam, sie wird für ihre ausdrucksvolle und nuancenreiche Stimme gerühmt. Die Frau aus Buchara öffnet dem Genre, das 2003 auf die UNESCO-Liste des Immateriellen Erbes der Menschheit aufgenommen wurde, mit ihrer jugendlichen Ausstrahlung neue Türen. Seit Beginn des Jahrtausends konnte sie eine ganze Reihe nationaler Preise gewinnen und ist sowohl in Ensemble- als auch Solokonzerten gefragt. Ihre Popularität geht aber über den Shashmaqam hinaus: Khudoynazarova genoss auch eine profunde Ausbildung im traditionellen, nichtklassischen Gesang. Sie interpretiert daher auch die Mavregi-Volksmusik Bucharas, eine Form, die ihre Ursprünge in Persien hat.

Text: Stefan Franzen, Stand: 9.4.2020

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