Konzertkasse in der Elbphilharmonie

Zur Kasse, bitte!

Mitarbeiter der Elbphilharmonie-Konzertkassen über Freudensprünge, Bestechungsversuche und die allabendliche Hoffnung auf die letzte Karte.

»Weißt wos, jetzt fahr ma einfach!« Renate Aßmann und Alfons Baar, ein Paar aus München, beide gerade 60 geworden, wollten nicht länger warten. Ihre Gutscheine für ein Konzert in der Elbphilharmonie lagen lange genug auf der Kommode. Online hatten sie keine Karten gefunden, also fuhren sie einfach drauf los. An einem kühlen Mittwochmorgen sitzen sie nun – beide zum ersten Mal in Hamburg und etwas aufgeregt – auf einem Fensterbrett im Nordgang der Elbphilharmonie. Sie warten darauf, dass die Konzertkasse öffnet.

»Eine Kundin hat schon mal vor der Kasse übernachtet, um morgens als Erste da zu sein.«

Jens Völker hat die beiden schon von drinnen erblickt: »Oft stehen Leute schon vor der Tür an.« In einer Viertelstunde, um 11 Uhr, wird Völker seine Schicht an der Kasse der Elbphilharmonie beginnen und dann bis zum Abend beraten, informieren, verkaufen, vertrösten. In der Mitarbeiterküche hinter den Kassen gönnt er sich noch einen Kaffee. Am Kühlschrank hängen Dankesbriefe, besonders schöne E-Mails von zufriedenen Kunden. »Diese Postkarte etwa kam von einer sehr treuen Kundin, die hat schon mal hier vor der Kasse übernachtet, um morgens als Erste da zu sein.«

Dies ist ein Auszug aus dem Artikel »Zur Kasse, bitte!« aus dem Elbphilharmonie Magazin (01/2019), das dreimal pro Jahr erscheint. Hier die aktuelle Ausgabe bestellen

Traumjob am Tresen :Jens Völker

Der 42-Jährige hat vor seinem Job an der Elbphilharmonie-Kasse schon vieles im Leben gemacht: hauptberuflich Gitarre und Bass gespielt, als CD-Verkäufer in einem großen Multimediamarkt gearbeitet, im Handel, Versicherungsbranche, Logistik, insgesamt waren es neun Jobs. »Aber noch nie hatte ich so ein nettes Team um mich herum wie hier.« Er hält kurz inne. »Mein’ ich ganz ernst.« Völker steckt sich sein Namensschild an, schaltet das Licht an, fährt die verschiedenen Ticketsysteme auf seinem Rechner hoch. Die Kunden können kommen. »Oft hat man hier keine ruhige Minute«, erklärt er, »aber ich liebe es, mit Menschen zu arbeiten.« Und spannende Menschen trifft man an den Kassen allemal.

Konzertkasse in der Elbphilharmonie
Konzertkasse in der Elbphilharmonie © Gesche Jäger

Kunden aller Kaliber

Zwischendurch gibt es immer wieder die Begegnungen, nach denen Völker sich kurz an den Kopf fassen muss: »Vor Kurzem stand ein ehemaliger Bundesliga-Schiedsrichter hier an der Kasse, mit dem ich mich ganz nett über Fußball unterhalten habe. Am Ende wollte er mir zehn Euro geben, damit ich nochmal genauer nach Karten schaue.« Andere sind noch dreister:

»Es kam schon vor, dass jemand gesagt hat: ›Sie rufen mich doch bestimmt zurück, wenn was frei wird‹ – und mir dabei einen 50-Euro-Schein über den Tresen schieben wollte. So etwas geht natürlich gar nicht.«

Karten über alle Kanäle

Während Völker weiter Kunde um Kunde am Schalter begrüßt, warten rechts neben ihm, unter dem Tresen, bereits die nächsten. Das Display seines Telefons zeigt derzeit sieben Anrufer in der Warteschleife an. »Wenn gerade kein Kunde vor uns steht, heben auch wir an der Kasse ab«, erklärt er. Ansonsten werden die Anrufe von den Kollegen im sogenannten Backoffice, der Kundenservice-Zentrale von Elbphilharmonie und Laeiszhalle, entgegengenommen. Neben dem Präsenzverkauf ist das die zweite Schicht, die Konzertkassen-Mitarbeiter abwechselnd übernehmen.

»Ich sage den Leuten immer: Traut euch auch an die weniger bekannten Namen, die sind genauso gut.«

Constanze Teichert ist eine derjenigen, die ihren Arbeitstag heute mit Telefonieren und dem Beantworten von Kunden-E-Mails verbringt. Ihr Schreibtisch steht allerdings nicht in der Elbphilharmonie, sondern in einem Büro hinter der Konzertkasse im Brahms-Kontor, gegenüber der Laeiszhalle. »Sieht ein bisschen aus wie ein Callcenter«, lacht sie, »und das ist es ja eigentlich auch.« Hinter den Scheiben der einzelnen Büros sitzen Mitarbeiter und sprechen in ihre Headsets, den Blick auf die Bildschirme gerichtet.

Constanze Teichert
Constanze Teichert © Gesche Jäger

Teichert kam 2013 ins Team, war zu dem Zeitpunkt eine von sieben Mitarbeitern an der Kasse.

»Damals gab es natürlich viel weniger Konzerte, weniger Andrang, wir konnten uns mehr Zeit nehmen, die Kunden intensiver beraten.«

Mit der Eröffnung der Elbphilharmonie wurde es hektischer: »Es kamen plötzlich Kunden, die blind überall drauflos gekauft haben oder wütend waren wegen der Steuergelder und uns das haben spüren lassen. Oder solche, die nicht einsehen wollten, dass sie plötzlich nicht mehr reinkommen.« Inzwischen habe sich die Stimmung wieder etwas entspannt: »Das Gerücht, dass es keine einzige Karte mehr gibt, geistert nach wie vor herum, aber ich sage den Leuten immer: Traut euch auch an die weniger bekannten Namen, die sind genauso gut.«

Konzertkasse Elbphilharmonie
Konzertkasse Elbphilharmonie © Michael Zapf

Dickes Fell und großes Herz

»Einmal drohte mir ein Kunde am Telefon, dass, wenn ich meinen Job nicht verlieren wolle, ich gefälligst dies und jenes tun sollte.«

Auf jeden Fall brauche man ein dickes Fell: »Einmal drohte mir ein Kunde am Telefon, dass, wenn ich meinen Job nicht verlieren wolle, ich gefälligst dies und jenes tun solle. Da muss man erst mal schlucken.« Oft könne man den Ärger der Kunden verstehen, dürfe dann gewisse Dinge einfach nicht persönlich nehmen. »Der nächste Anrufer ist vielleicht eine alte Dame, die noch einmal in ihrem Leben in die Elbphilharmonie will und einem unendlich dankbar ist, wenn man ihr diesen Herzenswunsch erfüllen kann.« Es ist ein stetes Auf und Ab, eine Gefühlsachterbahn, die seit zwei Jahren noch ein paar mehr Loopings beinhaltet. Teichert fährt immer noch gern mit.

Kundin an der Konzertkasse
Kundin an der Konzertkasse © Gesche Jäger

Warten mit Aussicht

Szenenwechsel: Zurück in der Elbphilharmonie betreten einige bekannte Gesichter den geräumigen Kassenraum. Kunden, die am Vormittag leer ausgingen, kehren gegen 17:30 Uhr zurück. Sie warten auf die Abendkasse: Jeweils 90 Minuten vor jedem Konzert werden hier die letzten frei gewordenen Karten verkauft.

Auch heute ist die Stimmung gut. Um kurz vor 18:30 Uhr verkündet ein Kassenmitarbeiter den Wartenden: »Ich habe heute insgesamt 14 Karten. Bitte treten sie jetzt nacheinander an den Schalter.« Der Erste in der Schlange ist ein Engländer, er geht nach vorn. »Don’t buy all 14«, ruft eine Frau aus der Schlange, die ihm zuvor noch die Infos übersetzt hatte. Allgemeines Gelächter. Auch Sun Ha Park und ihr Freund stehen an, das Paar aus Südkorea macht gerade Urlaub in Deutschland. Einige Minute später springen sie mit leuchtenden Augen nach draußen. Es hat geklappt! »Damit hatten wir nicht gerechnet, was für eine Ehre.« Na dann, schönes Konzert!

Text: Fränz Kremer, Stand: 5.4.2019

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