None

Stichwort »Inseln« – die Playlist

Die Playlist rund um das Thema »Inseln« – aus dem Musiklexikon des Elbphilharmonie Magazins.

THOMAS ARNE: RULE, BRITANNIA!

Um die innenpolitische Stabilität und das außenpolitische Geschick Großbritanniens war es Mitte des 18. Jahrhunderts deutlich besser bestellt als heute. Man hatte Kolonien auf der ganzen Welt etabliert, der Überseehandel florierte. Nun galt es, die anderen europäischen Seefahrernationen aus dem Feld zu schlagen und der Royal Navy
die Vorherrschaft auf den Meeren zu sichern. Die passende Hymne dazu lieferte 1740 Thomas Arne (1710 – 1778) mit »Rule, Britannia – Britannia rule the waves«, komponiert ursprünglich als Finale eines patriotischen Maskenspiels, mit dem sich der damalige Kronprinz Frederick bei seinem Vater einschmeicheln wollte. Arne, der selbst unter einem griesgrämigen Vater gelitten hatte, gelang damit ein Hit. Noch heute wird das Lied bei der »Last Night of the Proms« unter ausgiebigem Fähnchenschwenken als Beweis britischer Großartigkeit gesungen. Noch.

Dies ist ein Artikel aus dem Elbphilharmonie Magazin (Ausgabe 03/2019), das drei Mal pro Jahr erscheint.

HERMANN AMANN: EINE INSEL MIT ZWEI BERGEN (DAS LUMMERLAND-LIED)

Man muss nur die ersten paar Takte summen, schon hat man gute Laune und die Bilder vor Augen: Jim Knopf und Lukas den Lokomotivführer, die mit ihrer Lok Emma die tollsten Abenteuer erleben. Die 1960 veröffentlichte Geschichte von Michael Ende und die liebevolle Umsetzung durch die Augsburger Puppenkiste eroberten ihr junges Publikum im Sturm; bis heute sind die Figuren aus keinem Kinderzimmer wegzudenken. Zum Erfolg trug auch die Ohrwurmqualität der Titelmelodie von Hermann Amann (1912 – 1991) bei, der noch viele weitere Puppenkisten-Produktionen mit Musik versorgte. Wie eine alte Dampflok rollt der langsame Auftakt an, bevor die Melodie Fahrt aufnimmt und fröhlich dahinschnuffelt. Und wie die eiserne Emma überstand sie alle Ausflüge tapfer – auch eine spätere Techno-Verhunzung und die Verwendung als Torjubel-Musik beim FC Augsburg.

Spotify Playlist

Elbphilharmonie Magazin I Inseln

Insel
Insel Insel © Daniil Vnoutchkov / Unsplash

CHRISTOPH WILLIBALD GLUCK: IPHIGÉNIE EN AULIDE UND IPHIGÉNIE EN TAURIDE

Man merkt den antiken Mythen an, dass Griechenland hauptsächlich aus Inseln besteht. Ständig erleidet ein Held im Sturm Schiffbruch und wird an fremde Gestade verschlagen, wo er sich mit verführerischen Zauberinnen herumschlagen muss; immer wieder halten die Götter Reisewillige durch fiese Flauten irgendwo fest. Iphigenie erwischt es besonders arg: Erst soll sie von ihrem Vater Agamemnon auf Aulis geopfert werden, damit der endlich gen Troja segeln kann, dann soll sie selbst auf Tauris ihren Bruder Orest opfern, um nach Hause zurückkehren zu können. Christoph Willibald Gluck (1714 – 1787), der große Opernreformer des 18. Jahrhunderts, vertonte innerhalb von fünf Jahren unverdrossen erst die eine, dann die andere Geschichte für die Pariser Oper. Das Publikum – allen voran seine Gesangsschülerin und Mäzenin Marie Antoinette – war begeistert.

Herbie Hancock: Cantaloupe Island

Als das Chicago Symphony Orchestra 1952 in einem Mozart-Klavierkonzert ein elfjähriges Wunderkind namens Herbert Hancock präsentiert, ahnt wohl niemand, dass der junge Tastenritter einer der wichtigsten Jazzer des Jahrhunderts werden wird. Nur zehn Jahre  später bringt er bei Blue Note sein Debütalbum heraus und wird daraufhin vom großen Miles Davis engagiert. Mit seinen markanten, vom Funk beeinflussten Riffs prägt der 1940 geborene »Herbie« den Sound der Band und trägt wesentlich zur Entwicklung von Fusion und Jazzrock bei. Parallel schreibt er für seine eigene Formation zahlreiche Nummern, die sich bald als Standards etablieren. Und offenbar hat er ein Faible für Südfrüchte: Seine größten Hits heißen »Watermelon Man« und »Cantaloupe Island« (Zuckermelonen-Insel). Letzteres wird als Remix unter dem Titel »Cantaloop« sogar noch zu einem prägenden Track des tanzbaren Acid Jazz.

Herbie Hancock
Herbie Hancock © Abu Dhabi Jazz Festival

The Police: Message in a Bottle

»Just a castaway, an island lost at sea, another lonely day with no one here but me.«

The Police aus »Message in a Bottle«

Das lyrische Ich als Insel, abgeschnitten von der Gesellschaft, von der Liebe, von der Menschheit – diese Metapher verwendete die Band The Police 1979 in ihrem ersten Nummer-eins-Hit »Message in a Bottle«. Damit traf sie perfekt das Lebensgefühl der jungen Generation, die sich gegen den Mainstream stellte und wahlweise in Punk oder New Wave, auf jeden Fall aber ins Außenseitertum flüchtete. Im Song immerhin geht die Geschichte gut aus: Als Reaktion auf die Flaschenpost mit einem »SOS to the World« werden »hundert Milliarden« Antwort-Botschaften angespült. Und Sting am Mikro kann stellvertretend für Millionen frustrierte Teenager singen: Ich bin nicht der Einzige, der allein ist.

SERGEJ RACHMANINOW: DIE TOTENINSEL

Die Toteninsel
Die Toteninsel © Arnold Böcklin / Kunstmuseum Basel

Eine düstere Insel, Grabkammern in steilen, von Zypressen überragten Felsen, auf die ein zerbrechliches Ruderboot mit einem Sarg an Bord zusteuert: So malte Arnold Böcklin 1880 die »Toteninsel« – und zwar gleich in fünf Versionen, weil das psychedelisch-metaphysische Sujet so gut ankam. Zu den Bewunderern des Bildes zählte auch der Komponist Sergej Rachmaninow (1873 – 1943), der sich davon 1908 zu einem 20-minütigen Orchesterwerk inspirieren ließ. Schon die Überfahrt stellte er originellerweise nicht im üblichen 6/8-Barcarolen-Rhythmus dar, sondern im 5/8-Takt, dessen unregelmäßigem Wiegen eine gewisse Bedrohlichkeit innewohnt. Auf dem Höhepunkt setzt der gregorianische Hymnus »Dies irae« ein, der das Jüngste Gericht beschwört und den der zeitweilig depressive Rachmaninow in vielen Werken zitiert. Böcklin malte als Gegenstück übrigens auch eine »Insel der Lebenden«. Die zu vertonen, wäre Rachmaninow niemals eingefallen.

GERHARD WINKLER / RALPH MARIA SIEGEL: CAPRI-FISCHER

»Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt …« Kaum etwas weckt das deutsche Fernweh so zuverlässig wie diese Zeile. Mit der schmalztriefenden Stimme von Rudi Schuricke im Autoradio tuckerten Kolonnen von VW-Käfern aus dem Wirtschaftswunderland der Nachkriegszeit über die Alpen in Goethes Sehnsuchtsland. Die Insel im Golf von Neapel wurde zur Chiffre für mediterranes Kolorit; es folgten Capri-Hosen, Capri-Eis und Capri-Sonne. Erschienen war der Schlager schon 1943, wurde aber sofort verboten, als sich Italien den Alliierten anschloss. Für die Kriegsgeneration bot er noch eine weitere Identifikationsebene: Wie die besungenen Fischer mussten auch Millionen deutscher Soldaten auf die Treue ihrer zu Hause gebliebenen Frauen hoffen. Für seine Verdienste um die deutsch-italienischen Beziehungen erhielt der Komponist Gerhard Winkler (1906 – 1977) sogar das Bundesverdienstkreuz – obwohl er selbst freimütig zugab,  nie in Italien gewesen zu sein.

Text: Clemens Matuschek, Stand: 20.8.2019

»Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt ...«

Gerhard Winkler / Ralph Maria Siegel aus »Capri-Fischer«

Mediathek : Weitere Beiträge

Video abspielen

: Elbphilharmonie Sessions: Lakecia Benjamin

Die erfolgreiche Jazz-Saxofonistin Lakecia Benjamin mit ihrer Single »New Mornings« im Großen Saal.

Krieg und Frieden in der Musik

Wie spricht Musik vom Krieg? Und wie klingt Frieden? Ein Essay.

Video vom 25.3.2024 bald on Demand : Konzert-Stream: Carmen

Große Gefühle und berühmte Ohrwürmer: Georges Bizets Opern-Hit »Carmen« im Großen Saal – und zwar in seiner Urfassung von 1874.