Der Klang der Gegenwart im Großen Saal: Beim Festival »Elbphilharmonie Visions« steht ausschließlich zeitgenössische Musik auf dem Programm. Das ist nicht nur musikalisch spannend, sondern bietet auch die großartige Chance, den Komponist:innen Fragen zu ihren Werken und zum Komponieren selbst zu stellen. Wie funktioniert Komponieren überhaupt? Haben sie vorher schon eine konkrete Vorstellung von dem Werk oder entsteht es erst beim Schreiben? Was für eine Rolle spielt die Umgebung? Und was wünschen sie sich für ihre Musik?
Davon berichten die Komponist:innen des Festivals in Kurzinterviews – in dieser Ausgabe mit dem deutsch-französischen Komponisten Mark Andre, dem es in seinen Werken um »die Musik im Entschwinden« geht. Für seine faszinierenden »Vier Echographien für Orchester« hat er vier Kirchenräume akustisch vermessen und daraus filigrane Klangstudien konstruiert.
Mark Andre: Echographie 4
Was inspiriert Sie als Komponist? Was möchten Sie dem Publikum über Ihr Werk mit auf den Weg ins Konzert geben?
Es geht mir um die Entfaltung, Enthüllung der Musik im Entschwinden, die zerbrechlichsten instabilsten, intensivsten kompositorischen Zwischenzeiträume. Es betrifft alle klanglichen, zeitlichen, phänomenologischen Signaturen und hat eine starke christliche Korrelation. Es gehört zu den zentralen Begriffen des Evangeliums.
Wie würden Sie den Klang unserer Zeit beschreiben?
Pardon, das weiß ich nicht.
Was braucht zeitgenössische Musik, um die Liebe des Publikums zu gewinnen?
Vielleicht unter anderem: Intensität des Beobachten-Lassens und Aufgeschlossenheit.
Akustische Vermessung von Räumen
Für einige Ihrer Kompositionen vermessen Sie Räume akustisch. Was heißt das genau?
Es geht um die Untersuchung der akustischen Signatur des Raumes. Jeder Raum hat seine eigene akustische Signatur, er ist ein Instrument. Man sendet dafür einen Ton und misst die Resonanzen. Wie ein Cello oder ein Kontrabass hat auch ein Raum einen Grundton. Alle Töne, die gesungen werden, werden davon abgeleitet.
Einerseits untersuche ich den Klangkörper der Räume mit digitalen Mitteln. Was sakrale Räume anbelangt, geht es abseits dieser akustischen Untersuchung um die eventuellen, anderen Spuren dort; Spuren, die entstehen, weil über Jahrhunderte dort Menschen gebetet haben.
Aus einem Interview über »rwh 1-4« (2022)