»When you’re alone and life is making you lonely, you can always go Downtown«. Mit diesen Zeilen beginnt die Hitsingle »Downtown« von Petula Clark aus dem Jahr 1964. Geschrieben wurden sie von dem britischen Songwriter Tony Hatch, der die Inspiration für das Lied zwischen den grellen Neonschildern und dem lärmenden Verkehr am New Yorker Times Square fand. Das in »Downtown« ausgedrückte Gefühl mag für viele New Yorkerinnen und New Yorker gestimmt haben, die geografische Lage indes nicht: »Downtown«, im einheimischen Zungenschlag, bezeichnet den Teil Manhattans südlich der Fourteenth Street, die weit unterhalb des Times Square liegt.
Die schillernde Exzentrik von New Yorks Downtown-Szene
Für die künstlerische Szene der Stadt bot die »echte« Downtown den Raum für eine Community, in der Theater, Tanz, Film, Musik, Performance-Kunst, Malerei und Literatur oft fließend ineinander übergingen und verschiedene Kreise und Gruppen sich in immer neu entstehenden Allianzen zusammenfanden. Beispielsweise filmte Andy Warhol dort für seine Factory, die Fluxus-Künstlerin Yoko Ono veranstaltete ihre Loft-Konzerte und der legendäre Jazzmusiker Ornette Coleman formte dort sein Album »The Shape Of Jazz To Come«. Die berühmten Künstler Allan Kaprow und Claes Oldenburg feierten »Downtown« ihre Happenings und es entstanden Galerien, Clubs und Off-Spaces fernab der nördlich gelegenen, akademisch geprägten Uptown-Szene.

Reflektor John Zorn
Vom 17. bis 20. März 2022 gestaltet John Zorn das Programm der Elbphilharmonie mit rund dreißig Musikerfreunden – vom Streichquartett bis zur All-Star-Band.
Für die musikalische Downtown-Szene wurde ab der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre vor allem der Komponist und Alt-Saxofonist John Zorn zum Fixstern. Radikal und eklektisch, experimentell und subversiv, dabei mit klassischen Genre-Zuordnungen kaum zu fassen, bewegt sich Zorn seitdem frei zwischen Avantgarde, Noise, Jazz, Klassik, Klezmer, Exotika, Grindcore und vielen weiteren Stilrichtungen.
»Was aus dieser Szene kommt, ist zweifellos Hybrid-Musik« sagte Zorn einmal, an anderer Stelle unterstrich er den Willen, ohne Genre-Begriffe und -Hierarchien arbeiten zu wollen. Zu Igor Strawinsky fand er schließlich auch über Micky Maus. Die Arbeit selbst, der Prozess der Komposition, der Improvisation und der Aufnahme steht für den als Workaholic berühmt wie berüchtigten Künstler im Vordergrund. Auf gut 700 Aufnahmen ist er als Komponist oder Musiker (oft auch in beiden Funktionen) zu hören.
Über viele Jahrzehnte hat er dafür in bester Do-it-yourself-Manier die notwendigen Strukturen selbst geschaffen. Die Downtown Music Scene ist mit ihm als Verbindungsglied zu einem Ort geworden, in dem über Clubs, Plattenlabels und -Läden auch eigenwillige, landläufig »schwierige« Musik nach wie vor gespielt, aufgenommen und vertrieben wird.
John Zorn war und ist selbst Clubbetreiber, früher mit dem Studio Henry, später mit The Stone, ein Venue, in dem die Musikerinnen und Musiker das komplette Eintrittsgeld bekommen und keine Bar, sprich: kein Alkoholausschank von der Musik ablenkt. Seit 1995 führt er das Label Tzadik, mit dem er den eigenen Katalog und experimentelle Musik von vielen anderen Kunstschaffenden in Zirkulation hält.

John Zorn als Verbindungsglied
In Interviews wird der Künstler dabei nie müde, die Wichtigkeit und den Zusammenhalt seiner musikalisch-künstlerischen Community zu betonen. Wie ein Autorenfilmer, der mit einem Ensemble von wiederkehrenden Schauspielerinnen und Schauspielern arbeitet, hat John Zorn mit Gleichgesinnten wie Bill Frisell, Mike Patton, Ikue Mori, Joey Baron, Fred Frith, Susie Ibarra und vielen mehr eine fluide, abenteuerlustige Gruppe, die seine Kompositionen umsetzen.
Teil der Downtown-Szene ist Zorn nicht zuletzt auch über sein Appartment im dritten Stock im New Yorker East Village, in dem er seit 1977 wohnt, arbeitet und eine umfangreiche Plattensammlung beherbergt. Dort stehen Aufnahmen von The Butthole Surfers, Johann Sebastian Bach, Miles Davis, Ennio Morricone, Carole King, Napalm Death, Die Kreuzen und Funkadelic gleichberechtigt nebeneinander.
Beitrag in Kooperation mit ByteFM, Stand: 11. März 2022