Zwischen Minimalismus und maximaler Wirkung: Kaum ein zeitgenössischer Komponist ist so populär wie Arvo Pärt. Seine Musik ist auf das Wesentliche reduziert, auf trance-artige Klangflächen, meditative Dreiklänge und schwingende Glockentöne. »Weniger ist mehr« – so könnte man das Credo des estnischen Komponisten zusammenfassen. Zu seinem 90. Geburtstag widmete ihm die Elbphilharmonie in der Sasion 2025/26 einen eigenen Schwerpunkt. Ein besonderes Highlight war das Konzert mit dem Estonian Festival Orchestra und Paavo Järvi, der als einer der großen Spezialisten für die Musik von Arvo Pärt gilt. Für dessen Doppelkonzert »Tabula rasa« waren mit Midori und Hans Christian Aavik gleich zwei herausragende Solist:innen mit von der Partie.
Im Stream: Portrait-Konzert Arvo Pärt
Paavo Järvi dirigiert Schlüsselwerke von Arvo Pärt wie »Fratres« und »Cantus in memoriam Benjamin Britten« – hier den Rest des Konzertes ansehen.
Performers
Estonian Festival Orchestra
Hans Christian Aavik violin
Midori violine
conductor Paavo Järvi
Programme
Arvo Pärt
Tabula rasa / Doppelkonzert für zwei Violinen, Streichorchester und präpariertes Klavier
Über die Musik
»Ich habe entdeckt, dass es genügt, wenn ein einziger Ton schön gespielt wird«, erklärt der Komponist Avo Pärt: »Ich arbeite mit wenig Material, mit einer Stimme, mit zwei Stimmen. Ich baue aus primitivem Stoff, aus einem Dreiklang, einer bestimmten Tonqualität. Die drei Klänge eines Dreiklangs wirken glockenähnlich. So habe ich es Tintinnabuli genannt.« Abgeleitet vom lateinischen Wort Tintinnabulum (»Glöckchenspiel«), verweist Pärt damit auf das »Klingeln« eines Dreiklangs, dessen drei Töne das ganze Stück über mittönen und die durch feste Regeln an eine Melodiestimme gebunden sind.
Bei »Tabula rasa« handelt es sich um ein Auftragswerk für den estnischen Dirigenten Eri Klas, der um ein Stück bat, das zu Alfred Schnittkes ähnlich besetztem Concerto Grosso passt. Im ersten Satz »Ludus« (Spiel) wechseln Momente der Stille mit einem wiederkehrenden, kanonisch angelegten Melodieabschnitt. »Silentium« (Stille) heißt der zweite Teil, in dem sich ausgehend vom Zentralton d der Klangraum stetig erweitert. Als gliederndes Element erklingt in immer größeren Abständen ein Arpeggio des Klaviers. Spätestens gegen Ende des Stücks hat sich endgültig ein Gefühl der Unendlichkeit eingestellt. Passend dazu schließt das Stück mit vier leeren, aber auskomponierten Takten. Uraufgeführt wurde »Tabula rasa« 1977, unter anderem von dem Geiger Gidon Kremer und mit Alfred Schnittke am präparierten Klavier.
(Text: Simon Chlosta)

