Geht das eine überhaupt ohne das andere? Fängt nicht jeder verliebte Mensch irgendwann an, zu summen? Vor Glück, vor lauter Gefühlsduseligkeit, weil es einfach raus muss … Und wenn’s mit der Liebe dann vorbei ist, dann geht’s erst richtig los mit der Musik. Was wurden nicht schon für Songs geschrieben in diesem Schmerz, der sich im ganzen Körper ausbreitet und bis in die kleinste Faser spürbar ist.
Und da wären wir wieder bei den Fettnäpfchen. Denn im Rausch der Liebe passieren Dinge, die nüchtern betrachtet (oder vielmehr gehört) gar nicht mal so gut sind. Schwülstigkeiten, Grenzüberschreitungen, Pathos, Ekstase – alles dabei, alles schon erlebt. Ist man allerdings in der richtigen Stimmung, dann trifft es voll ins Herz. Das erklärt wohl auch, warum Liebeslieder so erfolgreich sind. Und warum es sie bereits so lange gibt.
Unerfüllte Liebe
Denn wenn man genau hinschaut, liegen die Beweggründe, Musik zu komponieren, ganz schön oft in der Nähe von Liebesdingen. Das war schon vor vielen Jahrhunderten so, als die Troubadours in Südfrankreich über die Liebe zu einer zumeist adligen und verheirateten Dame sangen – ohne übrigens an eine Erfüllung dieser Liebe überhaupt nur zu denken. Neu war damals, dass die Texte in der Alltagssprache und nicht in Latein verfasst waren. Außerdem waren vor allem arme, nicht-adlige Troubadours auf den provençalischen Straßen unterwegs, die trotzdem die Chuzpe besaßen, von unerreichbaren Frauen zu singen. Und das auch noch so, dass es jeder verstand!
Musik der Troubadours
Mit den Troubadours gründete sich eine Tradition, die bis heute besteht und die Gesellschaft Frankreichs spürbar prägte: Paris – die Stadt der Liebe, die französische Sprache, Serge Gainsbourg, Georges Brassens, Edith Piaf, Chanson, Eclair, Champagner, Pomme d’amour, die Millionen herzförmigen Schlösser am Pont des Arts. Oh là là!
Mitten rein ins triefende Klischee also. Zum Glück gibt’s inzwischen Künstler:innen wie Albin de la Simone oder Pomme, die das Chanson ein wenig von seiner Floskelhaftigkeit befreien und trotzdem im Sinne der Erfinder – der Troubadours – über die Liebe singen.
Pomme
Aber warum überhaupt singen? Was ist das für eine geheimnisvolle Verbindung zwischen Liebe und Musik, die jetzt sogar das Internationale Musikfest 2023 als Motto stolz verkündete?
Es ist ja so: Wann immer ein Mensch Leidenschaft und Anziehungskraft spürt, schüttet der Verstand Serotonin und andere Hormone aus – diese besagten »Wohlfühl«-Substanzen, die der Körper von sich aus produzieren kann. Und Musik scheint diese Produktion noch zu intensivieren. Außerdem kann Musik erlebte Emotionen in unseren Gedächtnisspeichern verankern und somit solche Gedanken tatsächlich verstärken.
Dieser Moment also, wenn jemand bei einer Party ruft: »Das ist UNSER Lied« – und eine andere Person mit sich auf die Tanzfläche zieht. Um dann noch mal so richtig einzutauchen in besondere Erinnerungen; nice feelings reloaded.
Zu Tränen gerührt
Aber: Funktioniert das mit dem Serotonin und dem Gedächtnisspeicher auch, wenn es gar keinen Text gibt? Kann Musik pur dieselben Gefühle auslösen? Na klar!
Tatsächlich hören nur die wenigsten wirklich zu und verstehen und verfolgen die gesungenen Texte. Es sind also die Töne, die Klänge, die den Unterschied ausmachen und die die Zuhörenden sogar zu Tränen rühren können.
Was zur nächsten Frage führt, nämlich: Weint dann während des Songschreibens eigentlich auch der oder die Songschreiber:in? Nun, das ist eine so persönliche Angelegenheit, die ja nichts mit dem Können oder dem Talent zu tun hat, dass es dazu natürlich keine belastbaren Angaben gibt. Man findet aber gerade in manch klassischen Werken Hinweise darauf, dass eine bestimmte Stelle den Komponisten oder die Komponistin sicherlich nicht kalt gelassen hat.
Wolfgang Amadeus Mozart zum Beispiel überschrieb in einem erst nach seinem Tod ergänzten und veröffentlichten Sonatensatz einen verminderten Akkord mit »Constanze«, während einen Takt vorher über dem Moll-Akkord mit Sekundvorhalt »Sophie« steht. Wer das war? Die Schwester der späteren Ehefrau, die Mozart doch eigentlich viel lieber geheiratet hätte.
Und Robert Schumann komponierte in seinen ganz frühen Zyklus für Klavier mit dem Titel »Carnaval« gleich an mehreren Stellen die Initialen der Frau hinein, mit der er für eine kurze Zeit verlobt war. Später dann tauchten wie durch ein Wunder die Anfangsbuchstaben von Clara Wieck auf, deren von Schumann vergebener Phantasiename »Chiarina« dann auch zum Titel einer der Miniaturen wurde.
Robert Schumanns »Chiarina«
Ganz sichergehen wollte dagegen Alexander Skrjabin. Er trug in die Noten seiner Werke Vortragsbezeichnungen ein, die dem Interpreten oder der Interpretin eigentlich ganz unmissverständlich und erstaunlich genau seine eigene Gefühlswelt beschreiben. Da steht dann »schmachtend«, »mit Wollust« oder »mit Entzückung und Zärtlichkeit« oder auch mal: »mit hinreißender Gewalt«.
Und um jetzt auch wirklich alle Fettnäpfchen voll auszukosten, schließt diese kleine Übersicht über die magische Verbindung von Musik und Liebe mit einem zugegeben sehr willkürlichen Ranking der absoluten Power Couples der Musikgeschichte – viel Spaß!