Leah Hawkins

A Celebration of Black Music II

Musikfest 2021: »I Know Why the Caged Bird Sings« – so lautet das Programm des zweiten Elbphilharmonie-Konzerts von Thomas Hampson und seinen Gästen. Verfügbar bis 4.6.2022.

»I know why the caged bird sings« – »Ich weiß, warum der eingesperrte Vogel singt«. Er singt von der Freiheit, um die Hoffnung nicht zu verlieren. Um sich und anderen Mut zuzusprechen. Er singt, um das Leben zu spüren und seinen Käfig zu vergessen. Und so singen und dichten bis heute Komponisten und Autoren mit afrikanischen Wurzeln: von Diskriminierung und Ungerechtigkeit, von Stolz und Würde – aber auch von Liebe und Trennung, Trauer und Freude, Glauben und Hoffnung.

Im zweiten Teil der von Thomas Hampson initiierten »Celebration of Black Music« kommen mehrere Generationen dieser Künstler zu Wort: Von Florence Price und William Grant Still bis hin zu Tyshawn Sorey und B. E. Boykin präsentiert das Konzert ein vielstimmiges Panorama von »Black Music« in ihren unendlich vielen und faszinierenden Facetten.

Hinweis: Alle Konzerte des Internationalen Musikfests 2021 stehen als kostenlose Streams zur Verfügung und sind nach der Erstausstrahlung für den gesamten Festivalzeitraum abrufbar.

 

Thomas Hampson: A Celebration of Black Music

Alle Konzerte des Musikfests 2021 auf einen Blick.

Teaser »Song of America: A Celebration of Black Music«

Besetzung

Louise Toppin Sopran
Leah Hawkins Sopran
Ema Nikolovska Mezzosopran
Lawrence Brownlee Tenor
Justin Austin Bariton
Thomas Hampson Bariton
Howard Watkins Klavier
Joseph Joubert Klavier

Mitglieder der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen
Jörg Assmann Violine
Beate Weis Violine
Friederike Latzko Viola
Nuala McKenna Violoncello

Programm

»I Know Why the Caged Bird Sings«

Dauer: ca. 90 Minuten

Leah Hawkins Leah Hawkins © Sophie Wolter
Lawrence Brownlee Lawrence Brownlee © Sophie Wolter
Joseph Joubert & Lawrence Brownlee Joseph Joubert & Lawrence Brownlee © Sophie Wolter
Justin Austin Justin Austin © Sophie Wolter
Louise Toppin & Thomas Hampson Louise Toppin & Thomas Hampson © Sophie Wolter
Leah Hawkins Leah Hawkins © Sophie Wolter
Ema Nikolovska, Thomas Hampson & Louise Toppin Ema Nikolovska, Thomas Hampson & Louise Toppin © Sophie Wolter
Ema Nikolovska Ema Nikolovska © Sophie Wolter
Louise Toppin Louise Toppin © Sophie Wolter
Howard Watkins Howard Watkins © Sophie Wolter
Thomas Hampson Thomas Hampson © Sophie Wolter
Justin Austin Justin Austin © Sophie Wolter
Howard Watkins Howard Watkins © Sophie Wolter
Joseph Joubert Joseph Joubert © Sophie Wolter
Ema Nikolovska Ema Nikolovska © Sophie Wolter

Die Künstler

Louise Toppin – Sopran

Louise Toppin
Louise Toppin © Romanieo Golphin

Leah Hawkins – Sopran

Leah Hawkins
Leah Hawkins © Dario Acosta

Ema Nikolovska – Mezzosopran

Ema Nikolovska
Ema Nikolovska © Kaupo Kikkas

Lawrence Brownlee – Tenor

Justin Austin – Bariton

Justin Austin
Justin Austin © Jessica Osber Photography

Thomas Hampson – Bariton

Thomas Hampson
Thomas Hampson © Jiyang-Chen

Howard Watkins – Klavier

Howard Watkins
Howard Watkins © Dayton Opera Scott / J. Kimmins

Joseph Joubert – Klavier

Joseph Joubert
Joseph Joubert © Lelund Durond Thompson

»I Know Why the Caged Bird Sings« :Zum Programm des Konzerts

Ein Hauch von Freiheit

Wie unzählige andere afroamerikanische Künstler:innen und Intellektuelle verließ Maya Angelou (1928-2014) Amerika, um dem Rassismus zu entkommen. Sie ging erst nach Europa, wo sie im Jahr 1935 auf einer Tournee von George Gershwins Oper »Porgy and Bess« auftrat, später zog es sie nach Ägypten und Ghanas Hauptstadt Accra, wo sie jahrelang lebte. In ihren Memoiren »All God’s Children Need Traveling Shoes« aus dem Jahr 1986 erzählt Angelou, wie sehr es sie bewegt und beeinflusst hat, in den 1960er Jahren als Teil einer reisenden Theatertruppe in Berlin gelebt zu haben.

Maya Angelou
Maya Angelou © Russel Mondy

Deutschland war ihr sowohl vertraut als auch fremd. Vertraut, weil Angelous Mutter, Vivian Baxter, von deutschen Adoptiveltern großgezogen wurde und mit starkem deutschen Akzent sprach. Fremd, weil Angelou das Gefühl hatte, eine neue Ära in der langen deutschen Geschichte des Rassismus und Antisemitismus nach dem Zweiten Weltkrieg zu erleben. Wie andere Afroamerikaner:innen auf der Tour war sie stets vorsichtig bei ihren Begegnungen mit weißen Deutschen. Dennoch: In Angelous Leben außerhalb der USA überwog stets das Grundgefühl, dass die Zeit im Ausland ihr eine Freiheit bot, die ihr zu Hause nicht zur Verfügung stand – eine Chance, die Welt und vor allem sich selbst in einem anderen Licht zu sehen.

Dem weißamerikanischen Rassismus entkommen

Mit diesem Wunsch nach Freiheit war Angelou nicht allein, denn Deutschland war seit langem ein beliebtes Reiseziel von Schwarzen, die dem weißamerikanischen Rassismus entkommen wollten. Der junge und ambitionierte Soziologe und Philosoph William Edward Burghardt »W.E.B.« Du Bois (1868-1963) war erstaunt darüber, wie frei er sich in den 1980er Jahren fühlte, als er durch deutsche Landschaften reiste. Schon die Harlem Renaissance-Persönlichkeiten Langston Hughes (1901-1967) und Alain Locke (1885-1954) wanderten in den 1920er Jahren durch Weimar, besuchten Konzerte des berühmten Schwarzen Tenors Roland Hayes (1887-1977) und gingen in die Oper. Nach dem Zweiten Weltkrieg bezeichnete der afroamerikanische Soldat und spätere Außenminister Colin Powell seine Stationierung in Westdeutschland als »einen Hauch von Freiheit«. 

Langston Hughes, 1936
Langston Hughes, 1936 © Library of Congress / Wikimedia Commons

Genau dieses Streben nach Freiheit bestimmt von Anfang an die afroamerikanische Poesie und Musik. Tatsächlich ist Angelous berühmtes Gedicht »I Know Why the Caged Bird Sings« selbst eine Hommage an das Gedicht »Sympathy« des afroamerikanischen Dichters Paul Laurence Dunbar (1872-1906) aus dem Jahr 1899, das mit der Aussage beginnt: »Ich weiß, was der eingesperrte Vogel fühlt, leider!«. In den 1930er Jahren vertonte die Komponistin Florence B. Price (1887-1953) Dunbars Text in ihrem zarten, fast sphärischen Lied »Sympathy«.

Die zwei weiteren Lieder von Price – »Hold Fast to Dreams« (1945) und »Song to a Dark Virgin« (1941) – haben ähnliche, beinah ätherische Anklänge. Der Komponist Shawn Okpebholo (geb. 1981) greift dieses jahrhundertealte Thema in »Oh, Freedom« (2013) auf, das er dem gleichnamigen Spiritual entlehnt. Auch David Bakers (1931-2016) nimmt das Thema in sein Stück »Deliver My Soul« aus dem Jahr 1991 auf – bearbeitet es jedoch in einem völlig anderen Stil und lässt sich stattdessen von lebhafter Gospelmusik inspirieren. 

Florence Price
Florence Price © G. Nelidoff / Special Collections, University of Arkansas Libraries

Die Musik von Adolphus Hailstork (geb. 1941) und Robert Owens (1925-2017) bildet einen krassen Gegensatz dazu – sie ist beinah schon als stürmisch und turbulent zu bezeichnen. Beide Komponisten erinnern uns daran, warum die Schwarze Bevölkerung jenseits der amerikanischen Küste nach Freiheit gesucht hat. In »Songs of Love and Justice« (1992) vertont Hailstork die frustrierenden Herausforderungen, denen sich Unterdrückte stellen müssen. In ähnlicher Weise befasst sich Robert Owens Musik direkt mit rassistischer Gewalt – er vertonte Gedichte von Claude McKay, die die weiße Vorherrschaft verurteilen.

Die Komponisten Peter Ashbourne (geb. 1950) und Samuel Coleridge-Taylor (1875-1912) hingegen spiegeln in ihren Kunstliedern die globale Erfahrung der schwarzen Diaspora wieder. Ashbournes langsames Stück »Liza« und das freche »Nobody’s Business«, beide aus seinen »Five Jamaican Songs« (2005), ergänzen die klassischen jamaikanischen Volkslieder um ein farbenfrohes und bewegendes Arrangement für Klavier und Gesang.

Die Kunstlieder des Schwarzen britischen Komponisten Coleridge-Taylor zeigen seine Bewunderung für Komponisten wie Edvard Grieg, bleiben gleichzeitig jedoch seiner eigenen musikalischen Vision treu. William Grant Stills (1895-1978) »Songs of Separation« aus dem Jahr 1949 und Valerie Capers (geb. 1935) »Song of the Seasons« (1987) sind dynamische Beispiele dafür, wie afroamerikanische Kunstlieder zwar auf der langen Tradition der Vertonung von Gedichten für Klavier und Gesang aufbauen, gleichzeitig aber auch davon abweichen können. 

William Grant Still
William Grant Still © Carl Van Vechten

Das Konzertprogramm schließt mit der Zusammenführung einer aufregenden Generation Schwarzer Komponist:innen: Shawn Okpebholo, Anthony R. Green, B.E. Boykin, Jasmine Barnes und Tyshawn Sorrey. Ihre Vertonungen greifen dieselben Themen wie Freiheit, Sehnsucht und soziale Gerechtigkeit auf, die das afroamerikanische Kunstlied seit über einem Jahrhundert definieren und die seit dem 19. Jahrhundert Schwarze Menschen in die Flucht treiben.

Ob sie sich wie B.E. Boykin der Poesie von Maya Angelou zuwenden, Shakespeares Prosa überdenken wie Anthony R. Green, die Schönheit der Natur einfangen wie Jasmine Barnes, oder, wie Tyshawn Sorrey, ausdrücken, was es bedeutet, heute als Schwarzer Mann in Amerika zu leben – all ihre Werke beweisen, dass das Kunstlied bis heute lebt und bieten damit einen tiefen und dauerhaften Trost. In den Kunstliedern dieser Komponisten findet sich das gesamte Kaleidoskop menschlicher Erfahrungen.

Text: Kira Thurman
Übersetzung: Özlem Karuç

In Zusammenarbeit mit der Hampsong Foundation

Gefördert durch die Kühne-Stiftung, die Behörde für Kultur und Medien Hamburg, die Stiftung Elbphilharmonie und den Förderkreis Internationales Musikfest Hamburg

Liedtexte :Alle Liedtexte, sortiert nach den Komponist:innen

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