»Auch ich bin Amerika«. Mit diesen kraftvollen Worten formulierte der afroamerikanische Dichter Langston Hughes 1925 den berechtigten Anspruch der »People of Color«, gleichwertiger und gleichberechtigter Teil der amerikanischen Kultur und Gesellschaft zu sein. Als Teil der »Harlem Renaissance«, einer dynamischen Bewegung afroamerikanischer Künstler in den 1920er Jahren, wurde Hughes zum Klassiker. Mit seiner zutiefst humanistischen Haltung, seinem Geist, Humor und seiner unbestechlichen Integrität schuf er Werke, die bis heute zeitlos und berührend sind. In dem Programm »Langston Hughes: Singing Harlem in Europe« sind Vertonungen seiner Texte durch Komponisten wie Wilhelm Grosz, Florence Price und Leonard Bernstein versammelt – sie zeigen, dass Menschlichkeit und Wahrhaftigkeit damals wie heute keine Grenzen kennen.
Hinweis: Alle Konzerte des Internationalen Musikfests 2021 stehen als kostenlose Streams zur Verfügung und sind nach der Erstausstrahlung für den gesamten Festivalzeitraum abrufbar.
Thomas Hampson: A Celebration of Black Music
Alle Konzerte des Musikfests 2021 auf einen Blick.
Teaser »Song of America: A Celebration of Black Music«
Besetzung
Louise Toppin Sopran
Leah Hawkins Sopran
Ema Nikolovska Mezzosopran
Lawrence Brownlee Tenor
Justin Austin Bariton
Thomas Hampson Bariton
Howard Watkins Klavier
Joseph Joubert Klavier
Programm
»Langston Hughes: Singing Harlem in Europe«
Dauer: ca. 90 Minuten
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Vollständiges Programm ansehen
Kurt Pahlen
Auch ich bin AmerikaHermann Reutter
Trommel / aus: Meine dunklen Hände
Lied für ein dunkles Mädchen »Wenn Susanna« / aus: Meine dunklen HändeWilhelm Grosz
Afrika-Songs / Zyklus für Sopran, Bariton und Klavier op. 29 (Auswahl)Howard Swanson
Joy
Night Song
The Negro Speaks of RiversFlorence B. Price
BewildermentMargaret Bonds
Three Dream Portraits
Songs of the SeasonsRobert Owens
In Time of Silver Rain op. 11/1
Carolina Cabin op. 11/5
Desire op. 13/1
Mortal Storm op. 29H. Leslie Adams
Prayer / aus: NightsongsAndre Myers
Harlem Night SongGeorge Walker
In Time of Silver RainHale Smith
March Moon / aus: Beyond the Rim of Day
To a Little Lover-Lass, DeadHarriette Davison Watkins
Troubled Woman
In Time of Silver RainRichard Thompson
The Negro Speaks of Rivers / aus: Dream Variations
Black Pierrot / aus: Dream VariationsBrandon J. Spencer
Dream VariationDamien Sneed
I Dream a WorldLeonard Bernstein
I, Too, Sing America / aus: Songfest
Die Künstler
Louise Toppin – Sopran
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Über Louise Toppin
Louise Toppin gehört zu den bedeutenden Sängerinnen im Opern-, Oratorien- und Konzertbereich. Engagements führen sie durch die Vereinigten Staaten, nach Süd- und Mittelamerika, Europa, Asien und Neuseeland und in so renommierte Häuser wie die Carnegie Hall und das Kennedy Center.
Mit ihren Engagements setzt sich Louise Toppin für Gleichberechtigung und Diversität ein. So sang sie etwa im US-Kapitol vor Barack Obama und dem Kongress anlässlich der 150-Jahr-Feier des 13. Zusatzartikels in der amerikanischen Verfassung, der das Ende der Sklaverei einläutete. Zu ihren aktuellen Projekten gehört etwa »Gershwin on Broadway« mit dem Bariton Robert Sims und dem Pianisten Joseph Joubert.
Ihre Diskografie umfasst 18 Alben mit mehrheitlich amerikanischer Musik, darunter die Solo-CDs »Songs of Illumination« mit Stücken zeitgenössischer afroamerikanischer Komponisten und »Ah love, but a day«, die Komponistinnen ins Zentrum rückt.
Als Wissenschaftlerin ediert und veröffentlicht Louise Toppin auch selbst Partituren, darunter vier Bände mit Liedern von Adolphus Hailstork. Sie hält Vorträge beim Rundfunk, auf Kongressen und an Universitäten wie Harvard.
Louise Toppin leitet den George Shirley Gesangswettbewerb und die gemeinnützige Organisation Videmus, die das Repertoire afroamerikanischer Komponistinnen und Komponisten fördert. Zudem gründete sie das Recherche-Netzwerk africandiasporamusicproject.org, das Werke der afrikanischen Diaspora von 1600 bis in die Gegenwart dokumentiert. Sie lehrt als Professorin für Gesang an der University of Michigan.
Leah Hawkins – Sopran
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Über Leah Hawkins
Die in Philadelphia geborene Sopranistin Leah Hawkins gehört zu den aufstrebenden Sängerinnen der jüngeren Generation. Nach ihren ersten Erfolgen in den Vereinigten Staaten ist ihr der Schritt auf die internationalen Konzertbühnen in einem Senkrechtstart gelungen. Die aktuelle Saison eröffnete sie an der Bayerischen Staatsoper in der Partie der Desdemona in Marina Abramovićs »7 Deaths of Maria Callas« – eine Rolle, die sie im September auch an die Opéra national de Paris führt.
Viel Aufmerksamkeit erregte sie in den vergangenen Jahren als Stipendiatin der Metropolitan Opera New York, wo sie ihr Publikum mit Auftritten in George Gershwins »Porgy and Bess«, Giuseppe Verdis »Aida« und Piotr Tschaikowskys »Pique Dame« begeisterte.
Auch auf der Konzertbühne ist Leah Hawkins erfolgreich. So arbeitet sie regelmäßig mit renommierten Orchestern wie dem Baltimore Symphony Orchestra und dem Philadelphia Orchestra. Auftritte führten sie zuletzt außerdem ans Moskauer Bolschoi-Theater, zu zahlreichen Festivals und ins Weiße Haus für ein Konzert vor dem französischen Präsidenten. Die Sopranistin erhielt bereits mehrere bedeutende Auszeichnungen, darunter Preise der George London Foundation und der Metropolitan Opera National Council Auditions.
Ema Nikolovska – Mezzosopran
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Über Ema Nikolovska
Ema Nikolovska gehört zu den vielversprechendsten jungen Sängerinnen ihrer Generation. Sie wurde in Mazedonien geboren und wuchs in Toronto auf, wo sie Gesang und Violine studierte. 2019 wurde die Mezzosopranistin BBC New Generation Artist und erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter der Erste Preis beim Internationalen Gesangswettbewerb in ’s-Hertogenbosch. Im Herbst 2020 wurde sie in das Internationale Studio der Staatsoper Berlin aufgenommen, wo sie künftig Rollen in »Hänsel und Gretel«, »Die Zauberflöte«, »Hippolyte et Aricie«, »Jenufa« und »Rigoletto« singen wird.
Zu den Höhepunkten im Konzertbereich gehören 2021 »Pulcinella« mit dem Musikkollegium Winterthur unter der Leitung von Barbara Hannigan sowie Recitals im Pierre Boulez Saal, der Wigmore Hall, beim Heidelberger Frühling, beim Verbier Festival und im Berliner Konzerthaus. Ema Nikolovska arbeitet mit Künstlern wie Malcolm Martineau, Wolfram Rieger, Sir Andràs Schiff und Barry Shiffman.
Lawrence Brownlee – Tenor
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Über Lawrence Brownlee
Als prägende Persönlichkeit der internationalen Opernszene tritt Lawrence Brownlee sowohl als Sänger auf den großen Bühnen der Welt als auch als Stimme für Vielfalt in der Branche in Erscheinung. Er ist regelmäßiger Gast an den wichtigsten Opernhäusern, darunter die Metropolitan Opera, das Teatro alla Scala und die Bayerische Staatsoper. Zudem singt er in Konzertsälen wie der New Yorker Carnegie Hall und der Wigmore Hall London.
Zu den musikalischen Höhepunkten der aktuellen Saison gehören sein Rollendebüt als Edgardo in »Lucia di Lammermoor« am New National Theatre Tokyo sowie Auftritte als Don Ramiro in »La Cenerentola« im Palau de les Arts Reina Sofía und als Arturo in »I Puritani« am Teatro dell’Opera di Roma. Im Konzertbereich trat er auf Bühnen wie der Lyric Opera of Chicago, der Houston Grand Opera und der Opera Philadelphia auf.
Als leidenschaftlicher Verfechter von Vielfalt und Gleichberechtigung initiierte Lawrence Brownlee Projekte wie sein gefeiertes Soloprogramm »Cycles of My Being« – ein Liederzyklus, der die Erfahrungen schwarzer Menschen im heutigen Amerika in den Mittelpunkt stellt –, mit dem er dreimal durch die USA tourte.
Während der Corona-Pandemie rief Lawrence Brownlee außerdem innovative digitale Konzertformate ins Leben: So begann er im Mai 2020 eine wöchentliche Facebook-Live-Serie, die sich mit den Erfahrungen afroamerikanischer Opernsänger beschäftigt. Außerdem ist er Gastgeber der Videoreihe »Coffee and a Song«, in der befreundete Künstler Kunstlieder aus der Initimität ihrer eigenen Wohnung vortragen.
Justin Austin – Bariton
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Über Justin Austin
Für seinen »schmelzenden Bariton« (The Wall Street Journal) international geschätzt, steht Justin Austin seit seinem vierten Lebensjahr auf der Bühne. Er beherrscht ein breites Repertoire von Jazz und R&B bis Oper und Oratorium.
Der gebürtige Stuttgarter wirkte in zahlreichen Opern-, Lied- und Oratorien-Uraufführungen von Komponisten wie Wynton Marsalis, Avner Finberg, M. Roger Holland und Jack Perla. Darüber hinaus arbeitete er mit Ensembles und Künstlern wie Aretha Franklin, The Boys Choir of Harlem, Mary J. Blige, Elton John, Lauryn Hill, 30 Seconds to Mars, Kanye West und den Jazzlegenden Reggie Workman, Hugh Masekela und Wynton Marsalis. Justin Austin sang u.a. an der Bayerischen Staatsoper, der Opera Saratoga, dem Lincoln Center, der Carnegie Hall und dem New York Festival of Song.
In der Spielzeit 2021/22 übernimmt er die Hauptrolle in der vom Lincoln Center Theater und der Metropolitan Opera gemeinsam in Auftrag gegebenen Oper »Intimate Apparel«. Zu den Highlights der Saison 2020/21 gehörten sein Debüt beim Moab Music Festival als Resident Artist und seine Rückkehr zum New York Festival of Song im Rahmen einer virtuellen Konzertreihe.
Justin Austin engagiert sich in Musikförderungsprojekten und gemeinnützigen Einrichtungen auf der ganzen Welt, darunter Organisationen wie MEND (Meeting Emergency Needs with Dignity), QSAC (Quality Services for the Autism Community) und das St. Mary’s Children’s Hospital in New York.
Thomas Hampson – Bariton
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Über Thomas Hampson
Der US-amerikanische Bariton Thomas Hampson ist einer der facettenreichsten Sänger unserer Zeit und erlangte sowohl durch seine beeindruckenden künstlerischen Fähigkeiten als auch durch seine Arbeit in der Kultur- und Musikvermittlung internationalen Ruhm. Mit seinem Opernrepertoire, das mehr als 80 Rollen umfasst, und über 170 Einspielungen, die mit renommierten Preisen wie dem Grammy Award, dem Edison Award und dem Grand Prix du Disque ausgezeichnet wurden, beweist er seine außergewöhnliche stilistische Bandbreite.
Thomas Hampson ist Honorarprofessor an der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg und Ehrenmitglied der Royal Academy of Music in London. Neben mehreren Ehrendoktorwürden trägt er den Titel »Kammersänger der Wiener Staatsoper« und wurde in Frankreich zum Commandeur de l’Ordre des Arts et des Lettres ernannt. 2017 erhielt er zusammen mit seinem langjährigen Klavierbegleiter Wolfram Rieger die Hugo-Wolf-Medaille der Internationalen Hugo-Wolf-Akademie. Hampson ist Mitbegründer und Künstlerischer Leiter der Lied Akademie in Heidelberg.
Als engagierter Förderer des Kunstlieds gründete er 2003 die Hampsong Foundation, die den interkulturellen Austausch pflegt und vorantreibt. In diesem Rahmen entstand auch das umfangreiche Projekt »Song of America«, deren jüngstes Kapitel die Konzertreihe »A Celebration of Black Music« ist. Seine internationalen Meisterkurse werden von Medici.tv, der Manhattan School of Music und auf dem Livestream-Kanal der Hampsong Foundation übertragen. Beim Klassik-Streaming-Dienst Idagio unterhält er zwei Sendungen, darunter das Format »Thursdays with Thomas«, in dem zuletzt auch der Elbphilharmonie-Indentant Christoph Lieben-Seutter zu Gast war.
Howard Watkins – Klavier
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Über Howard Watkins
Der amerikanische Pianist und Dirigent Howard Watkins arbeitet als Assistant Conductor an der Metropolitan Opera in New York und ist ein gefragter musikalischer Partner von Stars wie Joyce DiDonato, Diana Damrau und Anna Netrebko. Projekte führen ihn dabei regelmäßig auf bedeutende Konzertbühnen wie das Kennedy Center in Washington, die Carnegie Hall in New York und das Moskauer Bolschoi-Theater sowie an besondere Veranstaltungsorte wie das Metropolitan Museum of Art oder den Supreme Court der Vereinigten Staaten.
Neben seinen eigenen Konzerten ist der in Ohio geborene Pianist ein leidenschaftlicher Pädagoge und gleich an mehreren renommierten Hochschulen tätig, darunter die Julliard School of Music in New York und das Bard College Conservatory of Music. Im vergangenen Jahr wurde er von der Yale School of Music zum Presidential Visiting Fellow ernannt. In diesem Rahmen übernimmt er im laufenden Semester die Opernklasse der bekannten Hochschule.
Als musikalischer Coach hat er sich auch in vielen der großen Opernhäuser Amerikas einen Namen gemacht. Engagements führten ihn zu hochkarätig besetzen Ensembles in New York, Washington und Los Angeles. Außerdem gibt er Meisterkurse im Rahmen von Festivals wie der Tokyo International Vocal Arts Academy oder dem Aspen Music Festival. Für seine musikalischen Verdienste wurde der Pianist mehrfach ausgezeichnet. Freuen durfte er sich unter anderem über Ehrungen von der University of Michigan und der National Opera Association.
Joseph Joubert – Klavier
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Über Joseph Joubert
Joseph Joubert ist ein enorm vielseitiger Musiker: In sämtlichen Stilrichtungen von Klassik bis Pop, von Gospel bis Broadway, Spiritual und R&B zu Hause, führen ihn Engagements als Pianist, Arrangeur, Orchestrator, Broadway-Dirigent und Musikdirektor um die ganze Welt.
In den vergangenen Jahren steuerte Joseph Joubert etwa Musik zum Film »Respect« mit Jennifer Hudson bei. Er war Co-Produzent und Arrangeur für das Video »Georgia On My Mind«, das bei der Wahl in Georgia für Aufsehen sorgte. In der Saison 2021/22 übernimmt er die musikalische Leitung für das Stück »Blue« am berühmten Apollo Theater in Harlem.
Am Broadway inszenierte Joseph Joubert Stücke wie »The Color Purple«, »Disaster« und »Violet«. Er war musikalischer Leiter sowohl in Berry Gordys »Motown The Musical« als auch in Norm Lewis’ »American Songbook«, einem Rundfunkformat aus dem Lincoln Center, in dem er auch als Arrangeur und Pianist wirkte. Außerdem erhielt eine Grammy-Nominierung als »Best Arrangement Acompanying A Vocal« für die Produktion »Great Joy« mit den Broadway Inspirational Voices.
Als Plattenproduzent und Arrangeur arbeitete Joseph Joubert mit Künstlern wie dem Duo Ashford and Simpson, Diana Ross, George Benson, Whitney Houston und Dionne Warwick. Seine Orchester-Arrangements werden überall in den USA gespielt, etwa vom New York Philharmonic und vom Philadelphia Orchester. Als Pianist trat er in »Porgy and Bess« an der Metropolitan Opera auf und arbeitete mit klassischen Sängern wie Denyce Graves, Esther Hinds und Kathleen Battle, mit der er sogar im Weißen Haus für Präsident Bill Clinton spielte.
Langston Hughes: Von Harlem in die Welt :Zum Programm des Konzerts
Ein Dichter der Moderne
Die Gedichte und Geschichten von Langston Hughes (1901–1967) versetzen die Literaturszene seit fast einem Jahrhundert in Erstaunen. Schon 1922, als Hughes gerade 21 Jahre alt war, wurde seine Lyrik bereits in rascher Folge ins Deutsche übersetzt – und das aus gutem Grund. Hughes war eine Schlüsselfigur des »New Negro Movement«, einer Bewegung afroamerikanischer Schriftsteller und Maler zwischen 1920 und 1930. Mit schneller, nüchterner Prosa fing er den Rausch des Jazz und Blues ein – und traf damit einen Nerv der Moderne.
Geboren in Joplin, Missouri, wuchs Langston Hughes die längste Zeit bei seiner Großmutter im 170 Meilen nördlich gelegenen Lawrence in Kansas auf. Sein Vater hatte sich von der Mutter scheiden lassen und war nach Mexiko gezogen, um dem institutionalisierten Rassismus in den USA zu entkommen. Nach der High School und einem Jahr bei seinem Vater in Mexiko machte Hughes sich auf den Weg nach New York City. Obwohl er seinem Vater versprochen hatte, Ingenieurwissenschaften zu studieren, mischte Hughes bald die wachsende, pulsierende Kulturszene in Harlem auf, wo er bis zu seinem Tod lebte.
Schon im Studium erkannten afroamerikanische Medien wie The Crisis Langston Hughes’ Talent; seine frühen Gedichte erschütterten in den 1920er Jahren die Welt – angefangen bei »The Negro Speaks of Rivers« (1921), einer Hymne auf das schwarze Amerika. Hughes’ Gedicht lehnt die hegel’sche Vorstellung ab, dass Schwarze »ein Volk ohne Geschichte« seien. Stattdessen bindet es ihre Geschichte in goldener Prosa an eine alte Vergangenheit. »I, Too, Sing America« hingegen formuliert eine tiefgründige Antwort auf Walt Whitmans berühmtes Gedicht von 1860, »I Hear America Singing«.
Solidarität durch Übersetzung
Es waren jüdische Übersetzer:innen, die Hughes’ Gedichte erstmals ins Deutsche übertrugen. Angeführt von der bedeutenden Anna Nussbaum (1887–1931), einer Verbündeten des afroamerikanischen Bürgerrechtsführers und Intellektuellen W.E.B. Du Bois (1868–1963), fühlte sich diese Generation an Übersetzer:innen den Afroamerikaner:innen tief verbunden. Sie setzten sich dafür ein, die Werke des »New Negro Movement« und damit die Früchte eines wachsenden schwarzen Bewusstseins zu publik zu machen. Auch übermittelten sie Hughes’ frühe Texte an junge zeitgenössische Komponisten wie Kurt Pahlen (1907–2003), Hermann Reutter (1900–1985), Alexander von Zemlinsky (1871–1942) und Wilhelm Grosz (1894–1939).
In ihren Vertonungen von Hughes’ Gedichten integrierten diese deutschen Komponisten Elemente des modernen Jazz und des Blues. Hermann Reutters Lieder für Gesang und Klavier etwa führen zwar die lange Tradition deutscher Liedkunst fort, streuen aber gezielt Elemente afroamerikanischer Musik ein: Im Lied »Trommel« (1957) ist der Klavierpart äußerst perkussiv; das »Lied für ein dunkles Mädchen« (1957) webt sogar atonale Klänge ein, die sich dem traditionellen europäischen Tonsystem von Dur und Moll entziehen. Die Werke von Wilhelm Grosz hingegen reizen das Klangspektrum des Orchesters voll aus, um Hughes’ Worten gerecht zu werden. Und seine »Afrika Songs« (1929) klingen so üppig und golden wie ein Sonnenuntergang – ein Pendant zu George Gershwins berühmtem »Summertime«.
Vertonungen von afroamerikanischen Komponisten
Auch schwarze Komponist:innen fanden in Hughes eine neue Muse. Mit ihrer Musik brachten sie afroamerikanische Dichtung und Kunstmusikszene Mitte des 20. Jahrhunderts zusammen. In den völlig verschiedenen Vertonungen von Mondlicht, Flüssen und Träumen zeigt sich die ganze Vielfalt von Hughes’ Dichtung. Von allen Vertonungen von »The Negro Speaks of Rivers« ist jene von Howard Swanson (1907–1978) vielleicht die dramatischste und stürmischste. In Florence B. Prices (1887–1953) Werken zeigen sich avantgardistische, teils an Aaron Copland erinnernde Kompositionstechniken ebenso wie eine große Sensibilität für die Zwischentöne in Hughes’ Lyrik. Margaret Bonds (1913–1972) fängt besonders die überschäumende Kraft von Hughes’ Poesie sowohl in den »Three Dream Portraits« (1959) als auch im »Song of the Seasons« (1955) ein. Lieder wie »Winter Moon« (1955) beschwören das silberne Mondlicht herauf, das im tiefen Winter auf den Schnee fällt.
Auch der Afroamerikaner Robert Owens (1925–2017), der sich in den 1950er Jahren in Deutschland niederließ und dort bis zu seinem Tod lebte, vertonte unzählige Gedichte von Langston Hughes. Mit Einflüssen aus dem lateinamerikanischen Tanz und amerikanischem Pop ist sein Arrangement »In Time of Silver Rain« (1958) raffiniert und unterhaltsam zugleich.
Im Gegensatz dazu klingt die Version von Pulitzer-Preisträger George Walkers (1922–2018) mit ihren bildlich vom Himmel rieselnden Regentropfen fast pointillistisch (ebenso wie Hale Smiths »March Moon« von 1970). Und in den Werken zeitgenössischer Komponisten wie Brandon J. Spencer (geb. 1992) und Damien Sneed (geb. 1977) lebt Hughes’ Poesie noch heute weiter.
Als schwarzer Intellektueller, der viel durch Kontinentaleuropa, Russland, Zentralasien und Afrika gereist war, war sich Hughes seiner Resonanz auf der ganzen Welt bewusst. Trotzdem blieb sein Verhältnis zum Ausland ambivalent: Einerseits freute er sich für Afroamerikaner:innen, die die Vereinigten Staaten auf der Suche nach einem besseren Leben verließen. Andererseits erschienen ihm die Bedingungen auch im Ausland teils problematisch. Dennoch bestand er darauf, dass der »New Negro« ein Weltbürger war, der der Welt weit mehr zu bieten hatte, als es der amerikanische Rassismus zuließ. Langston Hughes’ Leben und Wirken lassen sich als Teil der afroamerikanischen Migration nach Europa seit den 1870er Jahren begreifen. Seine Gedichte veranschaulichen die Fülle afroamerikanischer Lebenswege und Kultur. Eine Kultur, die unsere Welt bereichert und ganze Generationen von Komponist:innen bis heute inspiriert.
Text: Kira Thurman
Übersetzung: Özlem Karuç
In Zusammenarbeit mit der Hampsong Foundation
Gefördert durch die Kühne-Stiftung, die Behörde für Kultur und Medien Hamburg, die Stiftung Elbphilharmonie und den Förderkreis Internationales Musikfest Hamburg