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Schumann: Balladen & Requiem

Musikfest 2021: Im Konzertstream aus Paris präsentiert das Insula orchestra unter Laurence Equilbey Werke von Schumann.

Mit ihrer anspruchsvollen und aufgeschlossenen Herangehensweise an die Musik hat sich die Dirigentin Laurence Equilbey einen über ihre französische Heimat hinaus reichenden Ruf erarbeitet. Sie ist Künstlerische Leiterin des Accentus Chores und des Insula orchestra,  das sich seit seiner Gründung 2012 der Interpretation von Werken der Klassik und Frühromantik auf zeitgenössischen Instrumenten widmet. Im kostenlosen ARTE-Konzertstream aus Paris präsentieren sie gemeinsam mit einer Reihe herausragender Solisten Werke des Romantikers Robert Schumann.

Alle Konzerte des Musikfests 2021 auf einen Blick.

Besetzung

Insula orchestra
Accentus
Chor

Ric Furman Jüngling/Page
Alexandre Duhamel Harfner/Meermann
Rafal Pawnuk König
Marie-Adeline Henry Königin
Adèle Clermont Prinzessin

Dirigentin Laurence Equilbey
Anna Lucia Richter
Erzählerin

Programm

Robert Schumann (1810–1856)
Vom Pagen und der Königstochter / Vier Balladen für Soli, gemischten Chor und Orchester op. 140

Des Sängers Fluch / Ballade für Soli, Chor und Orchester op. 139

Requiem für Mignon für Soli, Chor und Orchester op. 98b

Nachtlied für gemischten Chor und Orchester op. 108

VON LIEBE, TOD UND SCHLAF :Zum Programm: Robert Schumanns Chorballaden

Verbotene Liebe, rächende Flüche, Könige, Sänger und mythische Wassermenschen: In seinen Chorballaden zog Robert Schumann alle Register der Romantik. Stets geht es hier um die tiefsten und letzten Dinge des Lebens, um die Liebe, um den Tod – oder gleich um beides. Mit diesen Werken für Soli, Chor und Orchester schuf Schumann seit Mitte der 1840er Jahre eine ganz neue Gattung, die er als Antwort auf die gesellschaftlichen Umbrüche seiner Zeit verstand: Werke, deren Text und Musik für jedermann verständlich sein sollten, sei er nun Arbeiter, Bürger oder Adliger.

Robert Schumann
Robert Schumann © Wikimedia Commons

DER VERRÄTERISCHE RING :»Vom Pagen und der Königstochter«

Ringe bringen ja irgendwie kein Glück. Bekannt ist das spätestens seit Richard Wagners »Ring des Nibelungen« und Tolkiens »Herrn der Ringe«, doch auch vorher standen speziell diese Schmuckstücke – zumindest in der Literatur – häufig unter keinem guten Stern. Das muss auch der Titelheld von Emanuel Geibels Ballade »Vom Pagen und der Königstochter« erfahren: Als Zeichen der Liebe erhält er von der Königstochter beim heimlichen Rendezvous einen Ring. Dem König gegenüber gibt er später offenherzig zu, dass dieser ein Geschenk seiner Liebsten sei. Leider erkennt der König den Ring seiner Tochter – und ist keineswegs einverstanden mit dieser unstandesgemäßen Verbindung. Also wird der Page kurzerhand erschlagen und seine Leiche im nahen See entsorgt. Dass Wassermenschen im weiteren Verlauf der Ballade aus seinen Knochen eine Harfe anfertigen, deren Musik die Hochzeit seiner Liebsten mit einem Prinzen sprengt, dürfte ihm dabei kaum ein Trost gewesen sein.

Robert Schumann setzte die zutiefst romantische Schauerballade 1852 farbenreich in Töne: verträumte Streichermelodien für das junge Paar, düster-stürmische Klänge für das schicksalhafte Gespräch zwischen König und Page, rauschende Festmusik für die Hochzeit. Besonders schön schließt sich der dramaturgische Bogen zwischen Anfang und Ende der Erzählung in der Instrumentierung: Zu Beginn geht der König mit seinem Gefolge auf die Jagd, musikalisch untermalt von munteren Hornmotiven. Und auch am Ende erklingen die Hörner wieder sehr exponiert – wenn der Meermann sein Lied anstimmt. Mit einem melancholischen Choral bringen sie das prachtvolle Hochzeitsfest zum Stillstand, ebenso wie das Herz der Königstocher, die tot zu Boden sinkt. Der König flieht entsetzt vor den schicksalhaften Klängen: Der Jäger ist selbst zum Gejagten geworden.

EIN LIED ZU VIEL :»Des Sängers Fluch«

Noch weitaus dramatischer geht es in »Des Sängers Fluch« zu, ebenfalls aus dem Jahr 1852. Aus Gedichten Ludwig Uhlands formte Robert Schumann gemeinsam mit dem Musikschriftsteller Richard Pohl ein politisch-psychologisches Minidrama mit einem opernreifen Spannungsbogen. Aus dem Besuch eines Sängerpaares – ein alter Meister und sein junger Lehrling – am Hof eines Königs entwickelt sich hier ein unentrinnbarer Sog von dunklen Geheimnissen, Misstrauen und Leidenschaft. Nachdem der junge Sänger zunächst ein munteres provençalisches Lied gesungen hat, fordert der König »eine Sage aus der alten Zeit, wo nur das Schwert entschied«. Der alte Sänger gehorcht. Zwischen den Zeilen seines Liedes verbirgt sich jedoch offenbar eine hochaktuelle Geschichte: Aus der Reaktion des Königs lässt sich ablesen, dass dieser einst einen Mord begangen hat. Als sei die Stimmung nicht schon aufgeheizt genug, singen die beiden Sänger nun noch ein Revolutionslied: »Es wachsen frisch der jungen Freiheit Blüten«, heißt es hier in provozierend demokratischem Ton. Und der ganze Hof stimmt mit ein! Kein Wunder, dass der König Aufruhr fürchtet und die beiden Sänger hinauswerfen lassen will.

Bis hierher hätte das Ganze also noch glimpflich enden können. Nun jedoch bittet die Königin den jungen Sänger, ihr noch ein Lied mit dem Titel »Entsagung« zu singen. Das Lied entwickelt sich schnell zum Duett – darin wird deutlich, dass Königin und Sänger sich von früher kennen und lieben. Jetzt nimmt das Unglück seinen Lauf: Nachdem nicht nur sein dunkelstes Geheimnis ans Licht gezerrt und seine Autorität am Hof in Frage gestellt wurde, sondern nun auch noch seine Frau offen einen anderen Mann zu begehren scheint, verliert der König die Beherrschung. Er tötet den jungen Sänger; auch in dessen Lied ist übrigens von einem Ring die Rede, den die Königin ihm wohl einst als Zeichen ihrer Liebe übergeben hat. Die Rache folgt auf dem Fuße: Der alte Sänger verflucht den König und prophezeit ihm und seinem Reich den Untergang: »Versunken und vergessen. Das ist des Sängers Fluch.« Mit bedrohlichen Paukenwirbeln und ein paar verstreuten Melodiefetzen der Geigen endet das Werk in düsterem c-Moll.

VON TOD UND SCHLAF :»Requiem für Mignon« und »Nachtlied«

Nach diesen dramatischen Balladen folgen zwei kurze Werke Robert Schumanns in kontemplativerem Tonfall. Im »Requiem für Mignon« nach Texten aus Goethes »Wilhelm Meister« beklagen Kinder den Tod der geheimnisvollen Mignon. Den Klageliedern folgt die Aufforderung des Chors, die Trauer zu lassen und ins Leben zurückzukehren. 1849 komponiert und 1850 uraufgeführt, wirkt das charmante Mini-Oratorium bei aller Melancholie lichtdurchflutet und hoffnungsvoll.

Ähnlich verhält es sich mit dem ebenfalls 1849 entstandenen »Nachtgesang«, der das Konzert beschließt. Fast bedrohlich evozieren Text und Musik zunächst die unheimlichen Phantasiegebilde, die den Menschen zwischen Wachen und Schlaf heimsuchen und vielleicht auch an den Tod als ewigen Schlaf erinnern. Schließlich jedoch breitet der Schlaf seinen »schützenden Kreis« um die Seelen der Menschen und lässt Frieden in die Musik und in die Herzen einkehren.

Text: Juliane Weigel-Krämer

Gefördert durch die Kühne-Stiftung, die Behörde für Kultur und Medien Hamburg, die Stiftung Elbphilharmonie und den Förderkreis Internationales Musikfest Hamburg

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