Cristina Gómez Godoy

Rising Stars: Cristina Gómez Godoy

Mozart, Saint-Saëns und eine Uraufführung: Die spanische Oboistin präsentiert ein seelenvolles Programm.

Was für ein Einstieg in die Klassikwelt: 2012 holte Daniel Barenboim die 21-jährige Cristina Gómez Godoy in seine Staatskapelle Berlin, wo sie bis heute als Solo-Oboistin wirkt und nebenbei mit Weltklasse-Orchestern wie den Berliner Philharmonikern oder Kammermusik-Kollegen wie Daniel Barenboim, Guy Braunstein und Claire Huangci die Bühne teilt.

Ihre Premiere in der Elbphilharmonie begeht Cristina Gómez Godoy mit einem Programm, das einige der schönsten Stücke für Oboe versammelt, gekrönt von einem brandneuen Auftragswerk der britischen Komponistin Charlotte Bray.

 

»Cristina Gómez Godoy spielt mit einem wunderbar warmen, geschmeidigen Ton.«

Deutschlandfunk

Festival Rising Stars 2021

Die Stars von morgen in fünf Konzert-Streams erleben.

Cristina Gómez Godoy
Cristina Gómez Godoy © Felix Broede

Die Künstlerin

  • Spanische Oboistin (*1990)
  • Solo-Oboistin der Staatskapelle Berlin
  • stand als Solistin etwa mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und den Berliner Philharmonikern auf der Bühne unter Dirigenten wie Sir Simon Rattle, Riccardo Muti und Zubin Mehta

Nominiert von L’Auditori Barcelona und Palau de la Música Catalana

Palau de la Música Catalana Barcelona Palau de la Música Catalana Barcelona © Matteo Vecchi
L'Auditori Barcelona L'Auditori Barcelona © May Zircus

Programm

Camille Saint-Saëns (1835–1921)
Sonate für Oboe und Klavier D-Dur op. 166

Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791)
Trio Es-Dur KV 498 »Kegelstatt-Trio«

Claude Debussy (1862–1918)
aus: Douze Préludes / 1. Buch

1. Danseuses de Delphes: Lent et Grave
2. Voiles: Modéré
3. Le vent dans la plaine: Animé

Robert Kahn (1865–1951)
Serenade op. 73

Charlotte Bray (*1982)
This Other Eden (Uraufführung) / Kompositionsauftrag von L’Auditori Barcelona, Palau de la Música Catalana und European Concert Hall Organisation (ECHO)

 

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Backstage-Eindrücke

Cristina Gómez Godoy Cristina Gómez Godoy © Sophie Wolter
Cristina Gómez Godoy Cristina Gómez Godoy © Sophie Wolter
Cristina Gómez Godoy Cristina Gómez Godoy © Sophie Wolter
Cristina Gómez Godoy Cristina Gómez Godoy © Sophie Wolter
Mario Häring Mario Häring © Sophie Wolter
Cristina Gómez Godoy Cristina Gómez Godoy © Sophie Wolter
Cristina Gómez Godoy, Sara Ferrández, Mario Häring Cristina Gómez Godoy, Sara Ferrández, Mario Häring © Sophie Wolter
Cristina Gómez Godoy Cristina Gómez Godoy © Sophie Wolter
Cristina Gómez Godoy Cristina Gómez Godoy © Sophie Wolter

Musik erfinden und notieren mit Cristina Gómez Godoy :Aus der Reihe »Instrumentenwelt digital«

Wozu braucht man eigentlich Noten? Cristina Gómez Godoy ist Profimusikerin und erzählt euch in diesem Video, wozu Noten gut sind. Außerdem erfahrt ihr, wie man Musik mit Stift und Papier selbst aufschreiben kann – und wie aus einer solchen Zeichnung ganz neue Musik entsteht.

Deutsche Untertitel verfügbar (siehe Youtube-Einstellungen).

»Von Haus aus verrückt« :Über die Oboe und das Programm des Konzerts

»Wer Oboe lernt, der ist von Haus aus schon verrückt«, hat Hansjörg Schellenberger einmal gesagt. Etwas diplomatischer als der einstige Solo-Oboist der Berliner Philharmoniker könnte man sagen: Die Oboe ist kein einfaches Instrument. In gleichem Maße aber wird sie für ihren Klang, dem kein anderes Instrument nahekommt, geliebt: »Der sinnliche Ton der Oboe öffnet die Seele«, so der französische Oboist François Leleux. Und Richard Strauss, der sich im Alter ein schier unspielbar schweres Oboenkonzert »als Handgelenksübung« aus dem Ärmel schüttelte, liebte ihre Launen und Kontraste: »Die Oboe kann schnarren, blöken, kreischen, wie sie edel, keusch singen und klagen, kindlich heiter spielen und schalmeien kann.« Die Oboe sei ein Instrument der Extreme, resümiert das Musikmagazin Rondo, perfekt geeignet für die »Tiefenbohrung in der Seele«.

Mit letzter Kraft :Camille Saint-Saëns: Sonate für Oboe

Das wusste auch Camille Saint-Saëns (1835–1921), als er am Ende seines Lebens seine »letzten Kräfte« zusammenraffte und eine innige Oboensonate komponierte. Ein ambitioniertes Altersprojekt trieb ihn an – das Ziel: jedem Holzblasinstrument ein Werk zu schreiben, »um das Repertoire dieser sonst so vernachlässigten Instrumente zu erweitern«.

Parallel zur Oboe hatte Saint-Saëns 1921 ebenfalls die Klarinette und das Fagott mit Stücken bedacht. Alle drei Sonaten schweifen in Form und Charakter zurück ins 18. Jahrhundert: Während er in der Klarinettensonate eine Gavotte unterbringt, schließt das Pendant für Oboe mit einer gepfefferten Gigue. »Ich bin die Zukunft gewesen; in meinen Anfängen wurde ich als Revolutionär apostrophiert, und in meinem Alter kann man nur noch ein Vorfahre sein«, erklärte der Komponist.

Portrait von Camille Saint-Saëns
Portrait von Camille Saint-Saëns © Kunstverlag Lucien Mazenod

Im ersten Satz lässt Saint-Saëns die Oboe in langen Melodiebögen singen. Dabei durchschreitet sie einen Großteil des Tonumfangs der Oboe. Mit freien Verzierungen beginnt der zweite Satz und geht schließlich über in eine Pastorale, eine Art Hirtentanz mit wiegenden Punktierungen. Sein Vorhaben, jedem Holzblasinstrument eine Sonate zu hinterlassen, konnte Camille Saint-Saëns nicht mehr abschließen: Er starb im selben Jahr.

»Mit keinem anderen Blasinstrument lassen sich längere Melodiebögen spielen«

Camillle Saint-Saëns am Klavier in der Pariser Salle Gaveau, 1913, ringsum sitzt das Orchester.
Camillle Saint-Saëns am Klavier in der Pariser Salle Gaveau, 1913, ringsum sitzt das Orchester. © Agence Rol

Übrigens ...

Die langen Melodiebögen komponierte Saint-Saëns übrigens ganz bewusst: Dank des schmalen Mundstücks, dem sogenannten Doppelrohrblatt aus zwei hauchdünn geschabten Hälften Schilfgras, brauchen Oboisten zwar viel Druck, aber nur wenig Luft. Strömen bei einem Trompeter rund 470 Milliliter pro Sekunde durchs Instrument, sind es bei der Oboe nur 150 Milliliter. Mit keinem anderen Blasinstrument lassen sich längere Melodiebögen in einem Atemzug spielen. Beobachten Sie doch mal, wie lange Cristina Gómez Godoy aushält bis zum nächsten »Schnapper«.

Meister der Abwandlung :Wolfgang Amadeus Mozart: »Kegelstatt«-Trio

Ihre Premiere in der Elbphilharmonie begeht Cristina Gómez Godoy in außergewöhnlicher Besetzung: im Trio mit Sara Ferrández an der Bratsche und Mario Häring am Klavier spielt sie den Part, den in einem gewöhnlichen Klaviertrio die Geige übernimmt. Von der Standardbesetzung weicht außerdem die Bratsche ab, die ihren großen Bruder ersetzt, das Cello. Solche Abwandlungen verdankt die Musikwelt insbesondere Wolfgang Amadeus Mozart. Wenn er sich mit Freunden wie Joseph Haydn oder dem berühmten Klarinettisten Anton Stadler zum Musizieren traf, spielte er meist Bratsche – und erfand so das Klarinettentrio, dem später weitere Komponisten wie Robert Schumann und Max Bruch Werke widmen sollten.

Viele seiner Werke schrieb Mozart für bedeutende Instrumentalisten. Im Falle des 1786 uraufgeführten »Kegelstatt-Trios« war es besagter Anton Stadler (1753–1812), Mozarts Freimaurerbruder und einer der besten Klarinettisten der Zeit, der ihn zu dem Stück inspirierte. Die beiden pflegten im Übrigen ganz eigene Umgangsformen: Wohl niemand weiß, wofür die Spitznamen »Punkitititi« und »Notschibikitschibi« stehen, die sie sich gegenseitig verpassten. »Ribislgesicht« (Johannisbeergesicht) hingegen, wie Mozart seinen Freund auch anzureden pflegte, nahm Stadlers offenbar hochroten Kopf beim Spielen auf die Schippe. Ins Bild passt daher, dass Mozart das »Kegelstatt-Trio« angeblich bei einem heiteren Kegelabend komponierte. In der heutigen Version erklingt das Trio statt Klarinette natürlich mit Oboe.

Ungewöhnlich ist die Anordnung der Teile: Statt einem schnellen Satz legt Mozart mit einem zauberhaften Andante los, in dem der Ball wie in einem Rollenspiel hin- und herfliegt – immer um das verspielte Thema kreisend. Im schlichten Menuett schlägt Dur-selige Heiterkeit jäh in Melancholie um. Und im Verlauf des Schlussrondos spielen sich Bratsche, Klavier und Oboe mit eigenen Soli in den Vordergrund.

»Oboe spielen ist ungefähr so, als würde man für einen Kindergeburtstag eine ganze Reihe von Luftballons aufblasen, die alle sehr, sehr widerspenstig sind.«

François Leleux

Ein Vorspiel geht eigene Wege :Claude Debussy: Préludes

Oboe spielen ist anstrengend – dem Oboisten François Leleux nach ungefähr so, »als würde man für einen Kindergeburtstag eine ganze Reihe von Luftballons aufblasen, die alle sehr, sehr widerspenstig sind.« Deshalb legt Cristina Gómez Godoy eine kurze Verschnaufpause ein, während ihr Kollege Mario Häring am Klavier eine Auswahl der »Douze Préludes« von Claude Debussy auf die Klaviatur tupft.

Mit seinen »Préludes«, zu Deutsch »Präludien«, griff der 1862 geborene Komponist eine traditionsreiche Gattung auf: Schon im Barock hatten Cembalomeister wie Jean-Philippe Rameau und Johann Sebastian Bach solche »Vorspiele«, so die Übersetzung von »praeludium«, komponiert: in Frankreich eher freie, poetische Einleitungsstückchen, bei Bach zumeist einer Fuge vorangestellt. Im Laufe der Jahrhunderte verselbstständigte sich diese Form: Frédéric Chopin setzte seinem Werk mit 24 eigenständigen Préludes die Krone auf. Und Debussy schließlich knüpfte daran an: Die zwölf Préludes seines ersten Buchs (von ingesamt zweien), niedergeschrieben in kaum drei Monaten im Winter 1909/10, stehen allesamt für sich. Sie sind formell frei, klingen fast improvisiert – ein Gruß an französische Vorfahren.

Claude Debussy
Claude Debussy © Félix Nadar

Debussy war übrigens selbst Pianist – auf dieser Aufnahme spielt er seine eigenen Préludes.

Jedes Stück versah Debussy mit einer poetischen Fußnote. »Segel«, »Die versunkene Kathedrale« oder »Fußstapfen im Schnee« steht etwa unter den Noten – wohlgemerkt erst am Ende, um den Zuhörern keine Deutung aufzuzwingen. Mario Häring hat sich die ersten drei Préludes ausgesucht: Einer Säule aus der griechischen Antike entstammen die »Tänzerinnen aus Delphi«, deren feierliches Schreiten die Musik abbildet. Von den für europäische Ohren ungewohnten Ganztonleitern geprägt ist »Voiles« (Schleier; Segel). Und »Le vent dans la plaine« lässt mit flirrenden Figurationen den »Wind über der Ebene« wehen.

Ständchen aus alten Zeiten :Robert Kahn: Serenade op. 73

Robert Kahn dürfte heute den wenigsten Klassik-Hörern ein Begriff sein. Zwar verstarb der gebürtige Mannheimer erst 1951; seine Musik aber ist tief im 19. Jahrhundert verwurzelt. Kahn fühlte sich musikalisch der Romantik und insbesondere dem Kreis um den berühmten Hamburger Johannes Brahms zugehörig – obwohl er es sich verbat, ein »Romantiker« genannt zu werden. Brahms war es, der den jüngeren Kahn an einen Verleger vermittelte; und mit dem Brahms’schen Freundes- und Musikerzirkel traf Kahn sich zum Musizieren in geselliger Runde. Auch die 1923 entstandene Serenade spricht die Sprache des vergangenen Jahrhunderts: Allein die Gattung »Serenade«, die eine Art leicht fassliches Ständchen bezeichnete, war zu Kahns Lebzeiten schon historisch. Seine Serenade für Oboe, Horn und Klavier gestaltete er aber durchaus ungewöhnlich: Statt fünf oder mehr Sätzen rauscht das Stück in einem durch. Abwechslung liefern unerwartete Tonart- und Tempowechsel. Die Version mit Oboe ist übrigens nur eine von neun Besetzungsvarianten, die Kahn seinem Verleger mitlieferte.

Der Komponist Robert Kahn, Portraitfoto schwarz-weiß.
Der Komponist Robert Kahn, Portraitfoto schwarz-weiß. © Steffen Fahl

Antwort auf den Brexit :Charlotte Bray: This Other Eden

Portrait der Komponistin Charlotte Bray
Portrait der Komponistin Charlotte Bray © C. R. Dawkes

Das Highlight eines jeden Konzerts beim Festivals »Rising Stars« ist ein neues Werk, eigens komponiert für die Künstler. Für Cristina Gómez Godoy hat die Britin Charlotte Bray ein Werk geschrieben. Seit fast zehn Jahren lebt die Komponistin in Berlin – wie die Widmungsträgerin. Sie hat Werke für berühmte Klangkörper wie das London Philharmonic Orchestra geschrieben, für die Bratschistin Tabea Zimmermann ebenso wie für den Pianisten Pierre-Laurent Aimard.

Charlotte Brays Musik ist oft lebhaft und hochemotional. Sie ist inspiriert von persönlichen Begegnungen, von Gedichten, Natur- oder politischen Ereignissen – so auch im Falle von »This Other Eden«. Das Stück sei Anfang 2020 entstanden, so die Komponistin, als die Frist für den Austritt Großbritanniens aus der EU näher rückte. »Es ist eine sehr direkte Antwort auf den Brexit. Ich bin mir sicher, dass wir alle noch jahrelang mit den Folgen zu kämpfen haben werden.«

»Dieses Stück ist eine sehr direkte Antwort auf den Brexit.«

Charlotte Bray

Die Musik verarbeitet diesen Konflikt: »Finster trotzend« beginnen Oboe und Klavier ganz im Einklang. Ihre markanten, weit gespreizten Töne simulieren Glockengeläut. Fast den gesamten ersten Satz hindurch muss Mario Häring das Klavierpedal gedrückt halten – so entstehen schwebende, wie zu einer trüben Pfütze zerfließende Klänge. Sie stehen laut Bray für die Angst, die sich hinter einer (vermeintlich) schützenden Mauer verbirgt. Bald erklimmt die Oboe höchste Höhen, fällt umso tiefer – und deckt damit den gesamten Tonumfang des Instruments ab.

Der zweite Satz ist flüchtig, fast zerbrechlich. »Ich möchte dem Publikum hier die Freiheit vor Augen führen. Ist sie gewährt oder entrissen worden?« Im dritten Satz macht sich Resignation und Missklang breit – »Streit einer Nation«, nennt Bray diesen Teil, in dem Klavier und Oboe getrennte Wege gehen. Die Musik bleibt sinnbildlich in der Schwebe – und kommt mit einem schrillen Schrei der Oboe zum Stillstand.

Text: Laura Etspüler, Stand: 25.01.2021

Das Konzert wurde am 22. Januar 2021 aufgezeichnet.

 

Veranstalter: HamburgMusik

In Kooperation mit ECHO - European Concert Hall Organisation

Mit Unterstützung der M.M.Warburg & CO.

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