Interview: Ivana Rajič, 27.01.2025
»Kit Armstrong ist die größte musikalische Begabung, der ich in meinem ganzen Leben begegnet bin«, sagt Jahrhundertpianist Alfred Brendel über seinen ehemaligen Schüler. Mit acht Jahren gab dieser sein Konzertdebüt; mit sieben schrieb er bereits seine erste Sinfonie. Auf die Frage, wer sein Lieblingskomponist sei, antwortete Armstrong einmal ganz selbstbewusst: Er selbst! Und weiter: »Die zweite Antwort, die nicht weniger wahr ist, wäre: Mozart.« Dass die Musik des Klassikers für Kinder zu leicht und für Erwachsene zu schwer sei, hat bestimmt jeder schon einmal gehört. Armstrong zeigt, es geht auch anders – und findet einen ganz eigenen Ton für seinen zweiten Lieblingskomponisten. Am 1. Februar 2025 begibt er sich mit musikalischen Weggefährten und drei renommierten Streichquartetten auf seine »Expedition Mozart«, um berühmte und weniger bekannte Werke zu erkunden.
Das Konzert kann auch via Livestream in der Elbphilharmonie Mediathek verfolgt werden.
Im Titel des Programms »Expedition Mozart« steckt der Gedanke einer Reise. Wohin führt diese Reise und was können Musiker:innen und Publikum auf dem Weg entdecken?
Das Konzept einer Expedition hat sich bei der Namensgebung des Projektes besonders eingeprägt, weil wir die Vorstellung einer Versammlung von passionierten Experten zwecks einer gemeinsamen Reise inspirierend fanden, in der jeder seine Visionen mitbringt, sich gegenseitig ergänzende Kompetenzen beiträgt, und seine persönliche Herangehensweise verfolgen kann. In unseren bisherigen Konzerten stellten wir mit Freude fest, dass wir diese Idee dank der Klarheit und der Aussagekraft der Musik Mozarts tatsächlich im musikalischen Kontext haben umsetzen können.
Viele Werke auf dem Programm entstanden Mitte der 1780er Jahre. Was beschäftigte Mozart in dieser Phase seines Schaffens?
Gerade weil die Musik Mozarts zum Inbegriff des sogenannten klassischen Stils wurde, können wir uns nur schwer ein Bild von ihrer Wirkung im ursprünglichen Kontext machen. Aus der jetzigen Perspektive erscheint besonders relevant die Synthese des Gefälligen und des Gelernten, denn dieses dokumentarisch attestierte Anstreben von damals steht in starkem Kontrast zu der Spaltung, die man heute wahrnimmt, deren Schließung einen scheinbar immer unerreichbarer werdenden Traum darstellt. Hätte ein Mozart heute Ideen, zu bewirken, was er in den 1780er Jahren bewirkt hat, und wären wir überhaupt in der Lage, diese zu erkennen?
Heute Abend werden große orchestrale Werke mit intimen Kammermusikstücken Mozarts kombiniert. Welche Perspektiven auf seine Musik eröffnen sich durch diese Gegenüberstellung?
Ich bin überzeugt, dass ein Komponist wie Mozart die Stimmen einer Partitur als lebendige Wesen betrachtet hat. Während jede Linie ihren Beitrag zur gesamten Klangmasse leistet, erklingt sie jedoch in der inneren Vorstellung eines Partiturlesers zunächst so, als ob sie durch einen Menschen verkörpert würde. In der Kammermusik ist diese Vorstellung Wirklichkeit: der Charakter, den jede musikalische Figur besitzt, verschmilzt mit der Bühnenpräsenz oder Persönlichkeit desjenigen, mit dem die entsprechende Stimme besetzt ist. Dass sich in solchen Werken die Interaktionen der musikalischen Figuren als zwischenmenschliche Interaktionen wahrnehmen lassen, macht uns für dasselbe Phänomen in Mozarts Orchesterwerken empfänglich, deren Schreibweise sich hinsichtlich des stimmtechnischen Aufbaus oft kaum von der seiner Kammermusik unterscheidet. Dieser Gedanke motiviert die Besetzung der Expedition, denn das moderne Streichquartett bietet eine perfekte Kombination von solistischer Präsenz, mit der jedes Mitglied selber den musikalischen Diskurs in die Hand nehmen, und selbst mit einer Nebenstimme den Moment füllen kann, und natürlichem Zusammenspiel, das uns Spontaneität im Spiel ermöglicht, ohne jegliche Gefahr, auseinanderzugeraten.

»Mozarts Werk kann ich nicht von der Art des Musizierens trennen, die meiner persönlichen Vorstellung entspringt.«
Mozart ist einer der meistgespielten Komponisten überhaupt. Doch seine Kammermusik abseits der Streichquartette wird weniger oft aufgeführt, auch wegen der ungewöhnlichen Besetzungen. Warum war es wichtig, auch diese Werke auf das Programm zu setzen?
Leider ist es nicht möglich, selbst in einem abendfüllenden Konzertprogramm, all die Aspekte von Mozarts Ensemblewerke zu Tage treten zu lassen, die wir gerne hätten beleuchten wollen. Vielleicht deshalb haben wir diesmal auf einige öfter vorkommende Gattungen verzichtet, zugunsten derer, die erst mit dem vielfältigen Instrumentarium, welches wir in dieser Expedition haben, sinnvoll zu programmieren sind.
Sie sind seit Ihrer Kindheit mit Mozarts Musik vertraut. Was fasziniert Sie an Mozarts Werk heute noch, und wie hat sich Ihre Beziehung zu seiner Musik über die Jahre entwickelt?
Ich hatte in der Tat das große Glück, in jungen Jahren Mozarts Kammermusik an der Seite erfahrener und herausragender Mozart-Interpreten aufzuführen und dadurch zu entdecken. Es bleibt bereichernd, seine Musiksprache durch die Linse verschiedener interpretatorischer und spieltechnischer Ansätze zu übersetzen, vor allem im heutigen Zeitalter, in dem der Umgang mit historischer Aufführungspraxis keine Dichotomie mehr darstellt, sondern eine künstlerische Vielfalt hervorgerufen hat. Dennoch ist Mozart zu einem der wenigen Komponisten für mich geworden, deren Werk ich nicht von der Art des Musizierens trennen kann, die meiner persönlichen Vorstellung entspringt. In anderen Worten denke ich mir besonders oft bei Mozarts Musik, sie spreche mit mir so und nicht anders!
- Elbphilharmonie Großer Saal
Kit Armstrong & Friends
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