Elbphilharmonie Magazin »Jubel«

Stichwort »Jubel« – die Playlist

Die Playlist rund ums Thema »Jubel« – aus dem Musiklexikon der Elbphilharmonie.

BLUR: SONG 2

Immer, wenn es für Spieler und Fans des FC St. Pauli im heimischen Stadion am Millerntor ein Tor zu bejubeln gibt, dröhnt dieser Song von Blur aus den Boxen. Er ist die perfekte Hymne für alle, die ein Maximum an Sieges- und Biertrunkenheit mit einem Minimum an Textsicherheit verbinden müssen, denn ihr Refrain besteht lediglich aus einem einzigen Wort – oder besser Laut: »Woo-hoo!«

Kraftvoller, kompakter, unmittelbarer lässt sich Jubel nicht artikulieren. Dabei gerät leicht ins  Hintertreffen, dass der krachige Grunge-Sound nur einen stilistischen Zwischenschritt der äußerst wandelbaren Band darstellt. Beginnend beim Britpop der Neunziger, arbeitete sie sich über die mainstreamigeren US-Charts in experimentelle Indierock-Gefilde vor. Frontmann Damon Albarn hat sogar schon mehrere Opern geschrieben und wurde vom »Daily Telegraph« als einer der 20 bedeutendsten britischen Kulturschaffenden bezeichnet. Woo-hoo!

Dies ist ein Artikel aus dem Elbphilharmonie Magazin (Ausgabe 01/2022), das drei Mal pro Jahr erscheint.

GEORG FRIEDRICH HÄNDEL: HALLELUJA

Ist das nun Segen und Fluch: 42 Opern und 32 Oratorien schrieb Georg Friedrich Händel und dominierte das Londoner Musikleben gut 40 Jahre lang so gründlich, dass ihm schon zu Lebzeiten Statuen errichtet wurden. Doch am Ende erinnern sich alle nur an diese vier Minuten aus seinem »Messiah«, in denen der Chor »Halleluja« schmettert. Das One-Hit-Wonder kaschiert auch Händels eigentlichen dramaturgischen Clou: ein Oratorium über Jesus Christus zu schreiben, ohne ihn selbst auf der Bühne erscheinen zu lassen (was damals in England streng verboten gewesen wäre).

Kleiner Nebeneffekt: Der alttestamentliche hebräische Jubelruf – wörtlich übersetzt »Lobet den Herrn« – ist heute aus dem alltäglichen Sprachgebrauch nicht mehr wegzudenken und hat dank Leonard Cohen auch Eingang in die Popkultur gefunden. Altgriechisches »Heureka«, barockes »Frohlocket« und preußisches »Hipp Hipp Hurra« hingegen verstauben im Kuriositätenkabinett der Jubelrufgeschichte.

ROLF LIEBERMANN: FURIOSO

Als Leiter der NDR-Musikabteilung und Intendant der Hamburgischen Staatsoper prägte Rolf Liebermann (1910–1999) über Jahrzehnte das Musikleben der Stadt. Allein in den 17 Jahren seiner Opern-Amtszeit brachte er mehr als 25 große Uraufführungen von Komponisten wie Kagel, Henze und Penderecki heraus und machte die Hansestadt zu einem weltweit bedeutenden Standort der zeitgenössischen Musik. Daneben sorgte er auch selbst als Komponist für Furore – im wahrsten Sinne des Wortes.

»Furioso« heißt sein erstes Orchesterwerk aus dem Jahr 1947, das auch auf dem Programm des Elbphilharmonie-Eröffnungskonzertes stand und mit seinen jubilierend-virtuosen Streicherkaskaden zum heimlichen Höhepunkt des Abends avancierte.

EDWIN HAWKINS: OH HAPPY DAY

Eigentlich ging es nur darum, etwas Geld für eine Chorfahrt aufzutreiben, als der 24-jährige Jugendchorleiter Edwin Hawkins seine knapp 50 Sänger 1967 ins Aufnahmestudio bat. Die Erlöse der Platte sollten die Reise aus dem kalifornischen Oakland zu einem Chorwettbewerb in Washington DC finanzieren. Doch wie es der Zufall wollte, fiel das Album einem Radio-DJ in die Hände, der sich den Gospelsong »Oh Happy Day« heraussuchte – der Start eines Welt-Hits.

Die Wurzeln des Liedes reichen bis ins Jahr 1704 zurück, allerdings änderten sich Melodie und sogar Taktmaß mehrfach, bis Hawkins sein Arrangement für die Ewigkeit schrieb. In der Folge schmetterten es unter anderem Joan Baez, Aretha Franklin und Nana Mouskouri ins Mikro – und natürlich Whoopi Goldberg in »Sister Act 2«.

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Elbphilharmonie Magazin | Jubel

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LUDWIG VAN BEETHOVEN: HA, WELCH EIN AUGENBLICK!

Schon blöd, wenn man sich als Gefängnisdirektor dabei erwischen lässt, dass man Unschuldige zu Unrecht eingekerkert hält. Doch Don Pizarro, der Bösewicht in Beethovens »Fidelio«, hat schon einen Ausweg gefunden: den menschlichen Beweis seiner Willkür, den Gefangenen Florestan nämlich, kurzerhand zu beseitigen. Und so zückt er den Dolch und singt eine der schönsten fiesen Triumpharien der Musikgeschichte: »Ha, welch ein Augenblick! Oh Wonne, großes Glück! Schon war ich nah, im Staube, dem lauten Spott zum Raube dahingestreckt zu sein. Nun ist es mir geworden, den Mörder selbst zu morden; in seiner letzten Stunde, den Stahl in seiner Wunde, ihm noch ins Ohr zu schrei’n: Triumph! Der Sieg ist mein!«

Nicht gerechnet hat er allerdings mit der Tapferkeit von Florestans Ehefrau, die ihm in den Arm fällt und dafür sorgt, dass in Beethovens einziger Oper am Ende die Richtigen jubeln.

DMITRI SCHOSTAKOWITSCH: SINFONIE NR. 5

1936 brach für den Dmitri Schostakowitsch die Welt zusammen. Josef Stalin hörte eine seiner Opern, verließ entrüstet die Vorstellung und ließ Schostakowitschs Stil öffentlich als »Chaos statt Musik« denunzieren. Monatelang schlief der Komponist voll bekleidet, weil er jede Sekunde damit rechnete, verhaftet und in den Gulag deportiert zu werden, wie es schon seiner Schwester ergangen war.

Unter diesem Druck schrieb er im Folgejahr seine 5. Sinfonie, offiziell als Abbitte und Bekenntnis zu den Regeln des erwünschten sozialistischen Realismus. Ihr scheinbar triumphales Finale lässt sich allerdings auch anders verstehen, wie es seine (in ihrer Echtheit allerdings umstrittenen) Memoiren nahelegen: »Was in der Fünften vorgeht, sollte meiner Meinung nach jedem klar sein. Der Jubel ist unter Drohungen erzwungen. Als schlage man uns mit einem Knüppel und verlange dazu: Jubeln sollt ihr, jubeln! Man muss schon ein kompletter Trottel sein, um das nicht zu hören.«

CAMILLE YARBROUGH: TAKE YO’ PRAISE

»Allen Menschen, die sich für die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung eingesetzt haben, für Wahrheit und Gerechtigkeit« widmete Camille Yarbrough 1975 ihren groovigen Soul-Funk-Song. Ein Lobpreis, den sich die heute 83-Jährige gleich selbst ans Revers heften könnte, trat sie doch  zeitlebens als Aktivistin, Autorin, Schauspielerin und Sängerin in ebendieser Mission auf.

Weltweite Bekanntheit erlangte ihre Stimme allerdings erst 1998, als sie der britische DJ und Hit-Produzent Fatboy Slim als Sample für seinen Track »Praise You« nutzte. Ein besonderes Schmankerl ist übrigens das dazugehörige, mit versteckter Kamera gefilmte Musikvideo, das eine vermeintliche blutige Amateur-Selbsthilfe-Tanztruppe beim Guerilla-Auftritt vor einem Kino zeigt. Ihre gekonnt unbeholfene Performance kann auch der genervte Sicherheitsmann nur kurz unterbrechen.

Giuseppe Verdi: Triumphmarsch aus »Aida«

Schon die alten Römer inszenierten die Jubelfeiern anlässlich gewonnener Schlachten bekanntlich als Triumphzüge mit Streitwagen und Kriegsbeute, Pauken und Trompeten. In der Musikgeschichte kochte das Thema 1871 zum letzten Mal so richtig hoch, als Verdi seine in Ägypten angesiedelte Hit-Oper »Aida« mit dem bekannten Triumphmarsch vorstellte. Eigens für diese Szene ließ er pseudo-antike, langgestreckte Trompeten entwickeln.

Anlass für die Komposition war die Eröffnung des Suez-Kanals und des neuen Opernhauses in Kairo – wobei sich Verdis Begeisterung anfänglich in Grenzen hielt: »Eine Oper für Kairo komponieren!!! Puh! Ich gehe nicht hin, sie zu inszenieren, weil ich fürchten müsste, dort mumifiziert zu werden.« Erst das mutmaßlich höchste Honorar aller Zeiten und die Drohung, sonst seinen Erzfeind Wagner zu beauftragen, ließen ihn umdenken. An der Inszenierung des schier endlosen Jubel-Defilees verzweifeln Regisseure allerdings bis heute.

Queen: We are the Champions

Vor einem eher ungewöhnlichen Problem stand die Band Queen Mitte der 70er Jahre: Ihre Fans kannten die Songs so gut, dass sie permanent und lautstark mitsangen. »Manchmal mussten wir das Konzert unterbrechen und konnten nur noch zuhören«, erinnerte sich Gitarrist Brian May. So geschehen auch im Mai 1977 im mittelenglischen Stafford, als das Publikum vor lauter Liebe zu seinen Idolen ausgiebig den Fußball-Choral »You’ll never walk alone« schmetterte.

Die Lösung bestand in der Komposition von expliziten Mitmach-Songs: der Stampf-Stampf-Klatsch-Knaller »We will rock you« und die episch-elegische Ballade »We are the Champions«. Letzteres hat sich als ewige Hymne bei Jubelfeiern jeglicher Art etabliert und wurde 2011 von Wissenschaftlern zum »eingängigsten Song aller Zeiten« erklärt.

Text: Clemens Matuschek; Stand 18.11.2021.

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